Scharten-Sammeln in der Monfalconi-Gruppe
In Ermangelung von Gipfelzielen, die ohne Kletterausrüstung erreichbar wären, muss man sich als Wanderer in der Monfalconi-Gruppe mit hohen Scharten begnügen, was das Erlebnis aber keinesfalls mindert. Grandiose Landschaftseindrücke und wilde Felsszenerien prägen diese Tour, wobei vor allem der Campanile di Val Montanaia, der allein in einem Amphitheater aus Steilwänden aufragt, hervorsticht.
Die von mir am Montag ausgeführte Runde ist sehr lang und anstrengend; vermutlich wird sie in dieser Zusammenstellung nur selten ausgeführt, aber es gibt eine Möglichkeit, sie deutlich abzukürzen und die Hauptschwierigkeiten auszulassen.
Anforderungen: T5-6, über 2000 Hm in oft sehr sehr steilen Karen; 10-12 Stunden.
Route: Zunächst vom PP auf gutem aber ziemlich steilen Steig zum Campanile di Val Montanaia und weiter zur gleichnamigen Scharte. Am Campanile traf ich drei junge Italiener, die in der dort platzierten Biwakschachtel übernachtet hatten. Interessant war, dass sie erzählten, dass es hier oben (auf 2000 Metern!) die gleiche Mosquito-Plage hat wie unten am Pian Meluzzo. Allerdings ist dieses Phänomen wohl auch genau auf diese beiden Punkte beschränkt, da sie auch meinten, dass es sonst in ganzen Gegend keine Mosquitos gäbe. Sie waren nämlich auf einer mehrtägigen Tour durch die ganze Gebirgsgruppe.
Nun hoch zur Forcella Montanaia. Dort brachte es einer der Italiener mit Blick auf den Abstieg auf der anderen Seite griffig auf den Punkt: "Brutta, la dicesa - bruttissima!" In der Tat: Sehr ruppig gestaltet sich der obere Teil des extrem steilen 500 Hm-Kars (40-über 45 Grad) und erst ab der Hälfte kann man im Schotter abfahren, da der obere Teil diesbezüglich ziemlich ausgeräumt ist. Das ist auch der Grund, warum man die Tour nur in der hier beschriebenen Reihenfolge machen sollte. Wer es anders herum macht, muss schon Genuss daran finden, wenn einem das Laktat aus den Ohrwaschln spritzt. Und dabei kommt später noch ein viel wilderes Kar...
Im Talgrund angekommen geht es es auf steilen, aber guten Steig in die Forcella Monfalcon di Forni. Von hier wäre die Forcella Leone, über die es wieder zum Ausgangspunkt geht, mit kurzem Gegenanstieg schnell und einfach zu erreichen. Aber wie es der Teufel so will, sehe ich wenige Meter unterhalb der Scharte links eine Wegmarkierung (354) und den dazugehörigen Steig. Ein Blick in die Karte verrät mir, dass man unten auf den Weg zum Rifugio Giaf und dann über die Forcella Cason wieder auf den Weg zur Forcella Leone kommt. Es ist noch früh am Tag, erst 10.30 Uhr und so entschließe ich mich dazu, das zu machen.
Nun - der Steig verliert sich bereits nach 50 Hm, aber wenigstens kann man das Kar komplett im Schotter abfahren. Aber die Szenerie ist wirklich wild, das Kar noch steiler als das vorige (bis 50 Grad). Da der Steig offensichtlich aufgelassen ist, würde ich sagen, dass das im Aufstieg fast nicht mehr machbar ist.
Am Ende des Kars (1800m) wird wieder ein Steig sichtbar. Diesem folgt man, steigt aber nicht bis zum Rifugio Giaf ab, sondern hält sich schon vorher rechts, um zum Aufstieg zur Forcella Cason zu gelangen. Hinweis: Der letzte Abzweig zu diesem ist leider nicht beschildert. Der Anstieg durch ein weiteres Steilkar ist auf den unteren 2/3 sehr mühsam, aber nicht schwierig. Der obere Teil hat es aber in sich: Das Kar verengt sich, steilt auf und wird zu einer Rinne, an deren linkem Rand man in den Begrenzungsfelsen hochklettert (I-II). Von der Scharte geht es links hinab zum Bivacco Antonio Marchi und von dort weiter zur Forcella Leone, von der man mühsam, aber unschwierig zum Pian Meluzzo absteigt.
Was man aber nicht versäumen sollte, ist von der Cason-Scharte auf Steigspuren wenige Meter zu einer etwas höheren Scharte aufzusteigen, da es dort einen unglaublichen Blick ins wilde Herz der Monfalconi-Gruppe gibt. Ich stand da und war einfach gebannt: Zwischen gewaltigen, zerrissenen Felswänden zieht hier ein brutal steiles Kar hinab... Ich brauchte doch ein paar Minuten, um zu realisieren, dass es genau das Kar war, durch das ich am späten Vormittag runter bin... Gut, dass ich diesen Blick erst später hatte.
Gefahreneinschätzung: in den Karen wirklich extreme Steinschlaggefahr - Helm Pflicht. Was mir bei den wenigen Leuten, die ich getroffen habe, auch aufgefallen ist, ist, dass viele überfordert schienen. Wie zum Beispiel drei kreideweiße Italiener, die mir von der Forcella Cason entgegenkamen oder auch die drei jungen Burschen ("bruttissima"). Wir sind fast zusammen von der Scharte gestartet und als ich eine Stunde später in der Monfalconi-Scharte war, sind sie immer noch nicht unten gewesen - vermutlich haben sie umgedreht.
Fazit: Eine gewaltig beeindruckende Tour, für die es aber viel Erfahrung mit brüchigem Gestein und Steilkaren braucht.
Grundsätzliches zu den Touren in den Friulanischen Dolomiten: Es gibt ein gut ausgebautes Wegenetz mit einigen Hütten und vor allem auch Biwakschachteln. Wirklich einfache Touren sind aber eher die Ausnahme. Bis auf wenige Hotspots (Campanile di Val Montanaia, wo am Samstag anscheinend 30 Leute campiert haben) sehr ruhig. Die Weidewirtschaft wurde hier übrigens mittlerweile aufgegeben.
Es gibt an den Wegen auch oft Quellen/Bäche, sodass man nicht übertrieben viel zum Trinken mitnehmen muss.
Sonstiges: Der Skitourengeher in mir realisierte natürlich ziemlich schnell, dass die ganzen Kare und Scharten bei entsprechenden Verhältnissen sehr rassige Ski-Geschichten bieten würden...
Bilder:
1: Morgenstimmung am Pian Meluzzo.
2: Die Biwakschachtel am
3/4: Campanile di Val Montanaia.
5: Aufstieg zur Forcella Monfalcon.
6: Das wilde Abstiegskar nach dieser. Schaut am Bild flacher aus als es ist...
7: Felszapfen wohin das Auge blickt.
8: Der obere Teil zur Forcella Cason - hier wird die Steilheit realistisch wiedergegeben.
9: Im Herzen der Monfalconi-Gruppe: Das Kar ist zu erahnen.
10: Schönes Bächlein beim Abstieg von der Forcella Leone.