Hoher Angelus und Vertainspitze - Hochtour Vinschgau (+ Infos zu den Gletschern im Ortlergebiet)

  • Gipfel
    Hoher Angelus, Vertainspitze
    Höhe
    3521, 3545m
    Gebirge
    Ortler-Alpen/ Sulden
    Art der Tour
    Hochtour
    Datum der Tour
    18. August 2023
    Ausgangspunkt
    Sulden, Talstation Kanzellift (kostenlos); Camping ist hier ausdrücklich verboten, aber wenn nicht kontrolliert wird...
    Gefahreneinschätzung
    erheblich

    Was für eine herrliche Tour!


    Gestern bin ich noch nach Sulden gefahren und hab da im Auto geschlafen. Heute Morgen ging es zeitig los, denn ich hatte mir einiges vorgenommen. Auf dem Angelus war ich vor 6 Jahren schon mal, aber der Weiterweg zur Vertainspitze war mit großen Fragezeichen versehen: Wie schaut's in der Angelus-Scharte aus?

    Zunächst geht es am ohrenbetäubenden Gletscherbach das Zaytal hinauf zur Düsseldorfer Hütte und auf gutem Steig durch Schuttwüsten zum Einstieg des Reinstadler-Wegs und über diesen zum Gipfel des Angelus. Es handelt sich dabei übrigens nicht um einen Klettersteig im eigentlichen Sinne, da nur am Anfang etwa 100 Meter Geländerseil gespannt sind. Ein Set ist für Geübte daher nicht nötig. Wer am Angelus noch den formschönen Gipfelgletscher (wird nicht begangen) sehen möchte, möge sich sputen, denn da hat es in den letzten Jahren viel weggenommen; zum unteren Teil besteht mittlerweile keine Verbindung mehr. Der Reinstadler war sowohl was die Seile als auch die Markierungen betrifft schon mal besser in Schuss, lässt sich aber gut gehen.

    Vom Gipfel geht es am Grat zurück und hinunter in die Angelus-Scharte. Schaut von oben wild und brüchig aus, ist aber ganz einfach (keine Kletterstellen) und alles fest; keine Steinschlaggefahr.

    Nun kommt die Schlüsselstelle der ganzen Tour - der objektiv gefährliche Abstieg von der Scharte auf den Laaser Ferner. Das Gelände ist steil (über 40 Grad) und total instabil; letztlich fährt man im schienbeintiefen Schutt ab, wobei auch größere Gesteinsbrocken mitrollen. Zudem droht ein großer, zerfallender Gratgendarm, jederzeit seine Geschosse abzufeuern (siehe Bilder). Was es hier braucht sind Entschlossenheit und alpine Erfahrung. Wenn man da runtergeht, dann muss das Motto heißen "Mit Vollgas raus aus'm Trichter". Am besten hält man sich im Steilhang so weit wie möglich links und damit außerhalb der Schussbahn des Gendarmen. Am Rand des Gletschers oberhalb dieses zügig unter dem Gendarmen queren, bis man wieder sicheres Gelände erreicht. Unbedingt sollte man hier Handschuhe anhaben, weil man in dem steilen Hang dauernd in den groben Schutt greifen muss, um die Stabilität der Körperposition zu wahren. Dieser Abschnitt ist der Grund erstens für die Gefahrenbewertung "erheblich" (der Rest der Tour ist diesbezüglich harmlos) und zweitens dafür, dass man sie nicht anders herum machen sollte.

    Weiter geht es am besten so weit wie möglich im Fels/Schuttgelände, bevor man an geeigneter Stelle des Laaser Ferner betritt, wobei man automatisch einen Respektabstand zu den Wänden der Vertainspitze einhält, aus denen permanent etwas herunterkollert. Nun über den Gletscher ins Rosimjoch. Ich hatte Steigeisen dabei, doch ist es sicher auch möglich, diese flache Gletschertraverse ohne zu meistern. Wichtiger Hinweis: In vielen Karten ist der Weg ins Rosimjoch noch so vermerkt, dass man dieses weit links (im Aufstiegssinne,) unterhalb der Schildenspitze erreicht; mittlerweile hält man sich aber weiter rechts - dahin, wo der Abstand zwischen Gletscher und Joch am geringsten ist.

    Vom Rosimjoch geht es ein paar Meter hinunter zum gut markierten (Stoamandln) Normalweg auf die Vertainspitze. Im letzten Hang gibt es dann mehrere Optionen - egal welche man nimmt. Der Abstieg erfolgt schließlich über den Steig entlang des Rosimgletschers (wird nicht betreten) ins unglaublich beeindruckende Rosimtal. Der Rosimboden gehört für mich zum Schönsten, was ich je gesehen habe. Im Angesicht des Suldener Dreigestirns entspringt hier ein herrlicher Gebirgsbach auf grüner Aue. Vom Rosimboden könnte man zur Bergstation des Kanzellifts gehen, doch empfehle ich, dem Steig 11 nach Sulden zu folgen, der einen in einen magisch-schönen Zirbenwald führt. So vermeidet man den Massentourismus, der die Empfindungen auf dieser oft einsamen Tour doch nachhaltig stören könnte.

    Anforderungen: T5 und L für die Gesamttour; 2200 Höhenmeter; 9-12 Stunden. Jeder Gipfel einzeln T4.


    Gletscher im Ortlergebiet: Alle Gletscher mit Ausnahme des Oberen Ortlergletschers und des Gipfelhanges des Cevedale sind meiner Beobachtung nach aper. Am Cevedale schaut es (aus sehr weiter Entfernung,) so aus, dass die Randspalte noch eine Schneebrücke hat und daher gut machbar ist.



    Bilder:


    1: Erster Blick auf den Angelus (Düsseldorfer Hütte)

    2: Die Seilversicherung am Reinstadler-Weg.

    3: Der nordseitige Hängegletscher der Vertainspitze.

    4: Gipfelbereich des Angelus.

    5/6: Besagter Gratgendarm und die Ergebnisse seiner Abwürfe. Wenn man genau hinschaut, erkennt man die frischen Bruchstellen im Sockel des Gendarms.

    7: Am Gipfel der Vertainspitze.

    8/9: Rosimboden: Geht es schöner?

    10: Mächtige alte Zirben, die jeden Tag den Ortler bewundern dürfen.



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