- Gipfel
- Piz Bernina
- Höhe
- 4.048 m
- Gebirge
- Bernina
- Art der Tour
- Skitour
- Datum der Tour
- 14. April 2024
- Ausgangspunkt
- Morteratsch, Pontresina im Engadin
- Gefahreneinschätzung
- mäßig
- Exposition der Route
- in der Abfahrt v.a. Nord und Ost
Wenn ich schon mal im Bernina-Gebiet bin (siehe meinen vorherigen Bericht zum Piz Palü) und die weite Anfahrt auf mich genommen habe, muss man die guten Verhältnisse ausnutzen, dachte ich mir. Kurzfristig an einem schönen Wochenende mit guten Verhältnissen im Bernina-Gebiet einen Schlafplatz zu finden, ist aber ziemlich schwierig. So bin ich denn am Sonntag um kurz vor 6 Uhr in Morteratsch etwas entkräftet vom Vortag und übermüdet aufgebrochen - um es vorweg zu sagen: Deutlich zu spät (wenn man beim Start die Stirnlampen schon 3 h Aufstiegszeit über einem sieht, ist das irgendwie demotivierend) - umso ärgerlicher, weil wenn ich schon nicht schlafe, könnte selbst ich doch mal zeitig aufbrechen. Aber irgendwie ist ein Aufbruch zeitig in der Früh und im Dunkeln einfach nicht meins. Wer in Morteratsch parken will (siehe zur Parksituation allgemein im Gebiet meinen Beitrag zum Piz Palü), der muss den Parkautomat schon im Vorfeld füttern und v.a. sagen, wie lange man parkt - Nachzahlen nicht möglich.
Am Morgen ging der flache, ca. 5 km lange Zustieg zum Morteratsch-Gletscher über die hart gefrorene Schneedecke passabel - in dem kurzen Steilstück vor dem Gletscher sicherheitshalber mit Harscheisen. Bemerkenswert war, dass die Pistenraupe zum Präparieren des Winterwanderwegs gerade kam, als ich oben angekommen war - wieso wird dort morgens präpariert, so dass die Schneedecke nicht aussintern kann? Bei mir ging es jedenfalls noch über einen ziemlichen Acker aus gefrorenen Spuren. Die "Gletscherabfahrt" von der Bergstation Diavolezza selber wird übrigens nicht präpariert und ist dementsprechend auch ruppig.
Bis zur Aufsteilung des Gletschers auf ca. 2.550 m zieht es sich dann doch, ab da ließ sich aber auf meistens sichtbarer Spur gut aufsteigen (ohne Harscheisen). Zunächst verläuft die Aufstiegsspur für "Loch" und "Buuch" gemeinsam, dann geht es auf geschätzt ca. 3.150 m in einer langen Querung in den zur Zeit wirklich gut eingeschneiten "Buuch". In anderen Jahren geht diese Abfahrt offenbar gar nicht bzw. wird an Seil aufgestiegen wie abgefahren, zur Zeit sieht man in Teilbereichen nicht einmal offene Gletscherspalten. Auf ca. 3.300 m habe ich mich dann im starken Wind gegen einen weiteren direkten Aufstieg im eingeblasenen Schnee entschieden (kostete ohne Spur - die war zugeweht - alleine einfach zuviel Kraft) und bin mit Fellen ca. 80 Hm zum breiten Hang unter der Scharte Crast'Agüzza abgefahren. Immer im Bewusstsein, für den Piz Bernina zu spät dran zu sein, denn ab 9:30 Uhr kamen die Abfahrer vom Piz Bernina und mir war klar, dass es trotz nicht einmal 800 Hm weiterem Aufstieg noch einige Stunden (letztlich knapp 3 h) bis zum Gipfel des Piz Bernina dauern würde.
Meinem am vergangenen Wochenende schlechten körperlichen Zustand, der Erschöpfung und Müdigkeit sowie der Höhe geschuldet ging es dann wirklich recht zäh hoch bis zur Scharte Crast'Agüzza und dann schon wieder mit etwas mehr Motivation zum Skidepot auf ca. 3.840 m - der Gipfel lockte und zum ersten Mal seit Stunden schien der Gipfel mir doch wieder realistisch zu werden. Eine etwas leichtere und kürzere Alternative zum Piz Bernina wären Piz Zupo und Piz Argient gewesen.
Vom Skidepot kann man entweder wie im Sommer über den Spalla-Grat kraxeln (laut Beschreibungen bis II, sah aber doch nach rechter Kraxelei aus) oder zur Zeit ausgesetzt unter dem Grat zu den Osthängen unter dem Piz Bernina steigen (weiter oben gab es auch noch eine Stapfspur nach dem ersten Teil des Kraxelgrates). Zurück am Grat muss man sich dann derzeit wiederum entscheiden, ob es über den Nebengipfel La Spedla (nicht in der offiziellen 4.000-Liste, aber auch über 4.000 m hoch) geht - kraxeln bis UIAA II - oder auf guter Stapfspur bis zum "endgültigen" Skidepot im Bereich der Randspalte und dann auf einem von mehreren sehr steilen Stapfspuren hoch zum Grat bzw. direkt zum Gipfel. Ich habe mich für das Stapfen entschieden und bin dann gut 20 Hm ziemlich steil kurz mit Felsen durchsetzt hoch zum Gipfel - Stahlsteigeisen sind hier m.E. zwingend. Das war die einzige Passage, wo ich auf Bildern im Internet jetzt in der Nachbereitung zum Teil deutlich mehr Schnee (und damit einfaches Stapfen) gesehen habe. Der Grat selber ist in Teilen noch einmal ziemlich exponiert, an einer Stelle muss man auch mit Steigeisen einen IIer ausgesetzt klettern - immerhin ist der Fels aber schön fest.
Die Aussicht vom Piz Bernina - dem höchsten Gipfel der Ostalpen und ihrem einzigen Viertausender - ist wirklich beeindruckend und dank der späten Stunde hatte ich in den kleinen und kreuzlosen Gipfel für mich allein (ein Gipfelkreuz wäre natürlich schon schön - aber zu exponiert?).
Nach vorsichtigem Abstieg zurück zum Skidepot konnte ich den Osthang unter dem Piz Bernina direkt abfahren (laut Internet heißt das "Grufel"). Schon steil, v.a. aber heißt es den zahlreichen vorhandenen Spuren folgend die verschiedenen großen Spaltenzonen und Eisbrüchen geschickt auszuweichen. Das war auch der einzige Bereich, wo ich an mehrere offenen Spalten vorbeikam und zwei Mal sogar über Schneebrücken der bereits sichtbaren Spalten fahren musste. Ich vermute, dass diese Abfahrt in den meisten Jahren (wenn nicht soviel Schnee liegt) nicht gehen wird. Man könnte auch deutlich leichter aus dem Kessel zur Aufstiegsspur queren (auf ca. 3.740 m) - eventuell mit kurzem Gegenanstieg - und dann wie beim Aufstieg abfahren. Unten im Haupthang auf ca. 3.230 m muss man noch einmal auffellen und ca. 90m Hm aufsteigen (wie bei meiner Fellzwischenabfahrt beim Aufstieg), um zur Abfahrt durch den "Buuch" zu kommen. Es empfiehlt sich dringend, die untere Aufstiegsspur zu nehmen - ca. 20 Hm weiter oben gibt es auch eine Spur (habe ich beim Aufstieg genommen) - da geht es aber etwas gruselig über zwei große Spalten hinweg. Den direkten Weg durch das "Labyrinth" hat gestern ersichtlich keiner gewagt, auch wenn es von unten so aussah, als ob das theoretisch auch möglich sein müsste (gegebenfalls mit Eiskletterausrüstung). Die restliche Abfahrt durch den "Buuch" war dann gestern noch stärker zerfahren als die Abfahrt durch das "Loch" am Vortag, aber wegen der Abfahrtsverhältnisse macht man die Tour ja auch nicht unbedingt. Über den flacheren Teil des Morteratsch-Gletschers lief es dann etwas besser als am Vortag und auch das Tal auswärts habe ich bei enormer Nachmittags-Hitze dieses Mal mit offener Bindung statt Skating-Technik recht gut geschafft.
Insgesamt eine wirklich ungemein beeindruckende Skihochtour, die aber deutlich anspruchsvoller ist als die Tour zum Piz Palü (auch als die Überschreitung des Palü). Entsprechend ist auch der Andrang - wenngleich immer noch hoch - deutlich niedriger als am Piz Palü, wozu mit Sicherheit die ausgesetzte Kraxelei mit Steigeisen ihren Teil beiträgt. Wer vom Tal aus startet, sollte aber deutlich früher als ich starten - ich gebe zu, dass ich am Morgen recht getrödelt habe und v.a. die Länge der Tour ziemlich unterschätzt habe - mit nicht sehr langen Pausen waren es ab Morteratsch doch gute 7 h Aufstiegszeit. Wer besser drauf ist als ich am Sonntag, wird es schneller schaffen - dennoch sollte man die mindestens 2.250 Hm in der Höhe nicht unterschätzen.
Bilder (auch hier ist die Auswahl schwierig - für den unteren Teil der Route verweise ich auf meinen Bericht von gestern zum Piz Palü):
Blick von der kurzen Zwischen-Fellabfahrt auf den Osthang unter dem Piz Bernina - da kommen sie, die zeitigen Abfahrer:
Nach der kurzen Fellabfahrt geht es in dank guter Schneelage gemütlichem Gelände weiter - es zieht sich aber:
Der letzte Hang zum "normalen" Skidepot am Einstieg in den Spallagrat:
Während des Aufstiegs zum Skidepot kann man schon einmal die gewaltige Ostabfahrt studieren:
Der Einstieg in den Spallagrat bei einer kleinen Tafel - sieht mit Skischuhen nicht ganz leicht aus:
Blick zurück auf die Umgehung des ersten Felsköpferls - ausgesetzt:
Übersicht über das weitere Aufstiegsgelände - die meisten Tourengeher haben sich für die sichtbare direkte Variante rechts entschieden - aber steil und vermutlich auch kein fester Fels:
Am Grat - die Ausgesetztheit kommt hier recht gut heraus:
Am Piz Bernina gibt es bis zum Monte Rosa keinen höheren Berg - dementsprechend ist die Aussicht:
Blick vom Gipfel auf den oberen Teil des Anstiegs mit den verschiedenen Möglichkeiten: