Wir sind natürlich nicht hierher gefahren, um nur auf die Hütte zu steigen.
Nach dem Abendessen sollte man tunlichst schnell ins Bett, um wenigstens ein paar Stunden (versuchen) zu schlafen, denn das kärgliche "Frühstück" gibt es um 0.00 Uhr (!). Man geht vorteilhaft schon mit Steigeisen an der Hütte los und erreicht nach ca. 10 Minuten auf einem kleinen, sandigen/gerölligen Steig den Domegletscher.
Der kann je nach Verhältnissen problemlos oder übel sein.
Derzeit ist er problemlos (und wird es wohl auch noch bleiben), da im Juni/Juli laut Hüttenwart viel schlechtes Wetter war. Die Spalten sind noch gut eingeschneit, teilweise sind auch große Lawinenreste auf dem Gletscher, die vieles zudecken.
Als wir 2017 zur gleichen Zeit schon mal einen Versuch starteten, waren die Verhältnisse deutlich schlechter. Damals musste man schon bald nach der Hütte kreuz und quer um Spalten rumlaufen und über einige, auch breitere, springen (ein oder zwei Personen sind damals auch zu kurz und hinein gesprungen!), ehe die Spur damals durch (!) eine Riesenspalte führte, in die man auf der einen Seite runter und auf der anderen Seite wieder rauf und raus klettern musste und an der wir damals mangels zweitem Eisgerät gescheitert sind.
Unangenehm wird es am Ende des Gletschers, wo man über ausgeaperte Felsen zwar kurz, aber steil, brüchig und geröllig zum Grat hochklettern muss (I - I+). Dieser Grat führt, teilweise felsig/schuttig, teilweise verfirnt, hoch zum Piton des Italiens, wo er auf den Hauptgrat zum Dome de Gouter stößt. Der ist am Anfang kurzzeitig sehr schmal (wir waren hier nach rund vier Stunden immer noch in der Dunkelheit), wird dann aber schnell breiter und führt gemütlich weiter, knapp unterhalb des Dome du Gouter rechts vorbei in den anschließenden weiten Sattel, wo man auf die Hauptspur von der Gouterhütte trifft, weiter zum Vallotbiwak und - immer auf fetter Autobahnspur - über den Bossesgrat zum Gipfel. Technische Schwierigkeiten gibt es (derzeit) keine, aber die Spur ist ziemlich steil (oft um 35 Grad).
Leider hatten wir ab ca. 4000m kräftigen Westwind und - unvorhergesagt - während des Vormittags ziemlich viel Nebel, der Gipfel war frei, aber wegen des Windes war es ziemlich ungemütlich.
Zurück sind wir exakt den gleichen Weg zur Gonellahütte. Auch jetzt - am Nachmittag - lagen die einzigen Schwierigkeiten in den unangenehmen kurzen Felsabschnitten, der Domegletscher wies eine gute Spur auf und Sumpf gab es auch keinen.
Insgesamt wirklich gute Bedingungen.
Wir benötigten für den Aufstieg neun Stunden (andere waren deutlich schneller) und für den Abstieg ziemlich genau die halbe Zeit. Deshalb haben wir auf der Hütte auch ein zweites Mal übernachtet (nun wegen des deutlich schlechteren Wetterberichtes fast alleine) und sind erst am dritten Tag wieder ins Tal.
Von der französischen Seite gehen die Seilschaften anscheinend "in Schichten" hoch, denn während unseres Abstieges zum Vallotbiwak kurz vor Mittag kamen uns noch rund 50 Personen im Aufstieg entgegen, vermutlich gestartet vom Refuge Tete Rousse (?).
Insgesamt eine - bei den momentanen Verhältnissen - sehr empfehlenswerte Tour, die trotz voller Gonellahütte bei weitem nicht so frequentiert ist wie die französische Normalroute.
Bild 1 Dome Gletscher mit Aufstiegsspur in den linken Schneesattel, dann nach rechts über den Grat
Bild 2 Sonnenaufgang nach rund fünf Stunden Gehzeit
Bild 3 Vor dem Dome du Goutier
Bild 4 Am Bossesgrat
Bild 5 Gipfelgrat
Bild 6 Gipfel
Bild 7 Bossesgrat
Bild 8 Im Abstieg mit Aiguille de Bionassay
Bild 9 Beim Piton des Italiens
Bild 10 Oberster Domegletscher mit Übergang in die Felsen