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Pressemitteilung von Mountain Wilderness Deutschland
Preis für die größte Umweltsünde - Bock des Jahres 2014 geht an die Liftbetriebe Sudelfeld
Am Sonntag, 14. Dezember, fand in Bayrischzell im Rahmen einer Kundgebung die Preisverleihung
zum „Bock des Jahres“ statt. Die Naturschutzorganisation Mountain Wilderness (MW) Deutschland
verlieh diesen Preis für die größte Umweltsünde im Deutschen Alpenraum an die Vereinigten
Liftbetriebe Sudelfeld. „Mit dem Bau das größte Beschneiungsbecken im bayerischen Alpenraum
haben sie sich den Preis redlich verdient,“ sagte MW-Deutschland-Vorstandsmitglied Dr. Gotlind
Blechschmidt bei ihrer Laudatio. „Damit haben die Liftbetriebe Sudelfeld das beste Beispiel für
rückwärtsgewandte Strategie in Sachen Wintertourismus geliefert.“ Die Preisträger blieben der
Verleihung erwartungsgemäß fern – im Gegensatz zu einem breiten Aktionsbündnis aus
Naturschutzorganisationen, die die Veranstaltung ideell unterstützten und Redebeiträge lieferten.
Deutliche Plusgrade und kaum Schnee
Trotz des neuen, 150.000 Kubikmeter fassenden Speicherbeckens und 80 neuer Schneekanonen
blieb das Skigebiet Sudelfeld am Sonntag geschlossen. Kein Wunder: Zum Zeitpunkt der
Preisverleihung um 12 Uhr herrschten in Bayrischzell zehn Grad plus und Sonnenschein, und im
Skigebiet lagen nur noch an einigen schattigen Stellen wenige Zentimeter Schnee. Einen besseren
Zeitpunkt für die Preisverleihung hätten die Naturschützer also nicht wählen können. Blechschmidt:
„Letzte Woche liefen noch die Schneekanonen, und jetzt ist der ganze Maschinenschnee wieder
weg. Ist das nicht ein stimmiges Bild für die Sinnlosigkeit der Baumaßnahmen am Sudelfeld?“
Hans Well singt das Bayrischzeller Heimatlied
Insgesamt versammelten sich rund 150 Zuschauer und Gäste zur Preisverleihung und brachten
damit ihre Unterstützung für die Anliegen der Naturschutzorganisationen zum Ausdruck. Unter den
Anwesenden waren mit „Hans Well und den Wellbappn“ auch sehr prominente Unterstützer. Sie
gaben ihr „Bayrischzeller Heimatlied“ zum Besten und ernteten dafür viel Applaus. „Ich trete hier
gerne auf, weil ich schon seit vielen Jahren gegen Speicherbecken für Beschneiungsanlagen bin –
und insbesondere gegen so gigantische wie dieses hier“, sagte Hans Well nach seinem Auftritt.
Laudatio „Bock des Jahres“
Liebe Vereinigten Liftbetriebe Sudelfeld,
wie heißt es so schön? Aller guten Dinge sind drei! Nun, das trifft auf den diesjährigen „Bock des
Jahres“ mit Sicherheit nicht zu. Zum dritten Mal vergeben wir den „Preis für die größte
Umweltsünde im Deutschen Alpenraum“ und hätten Anfang des Jahres nie und nimmer gedacht,
dass die beiden vorigen, so einfallsreichen Preisträger noch getoppt werden könnten.
Ihr, liebe Sudelfeld Lifte, habt aber noch zielsicherer als eure Seilbahn-Kollegen in Lenggries und
Nesselwang angelegt und einen Bock abgeschossen, der wirklich seinesgleichen sucht!
Den Bayerischen Voralpen rechtzeitig zum »Fest der Liebe« ein 150.000 Kubikmeter fassendes
Speicherbecken mitten im Landschaftsschutzgebiet zu bescheren, ist wirklich ein starkes Stück.
Eines, das eigentlich nur noch von der Unverfrorenheit überboten wird, wie die ganze
Angelegenheit verkauft wird: Als „Naturspeicherteich“ bezeichnet ihr das Staubecken nämlich auf
eurer Homepage. Entschuldigung, aber der Begriff ist doch für jeden, der klar denken kann, eine
waschechte contradictio in adiecto. Also ein Widerspruch in sich. „Naturvernichtungsteich“ wäre da
schon um einiges passender. Denn Speicherbauwerke können nach Meinung von Fachleuten
wegen des stark schwankenden Wasserspiegels zu tödlichen Amphibienfallen werden.
Auf die Schenkel klopfen mussten wir uns hingegen bei Ansicht von „collagespeichersee_650“. Ihr
wisst schon. Das Foto auf eurer Website, auf dem am hübschen Stauseeufer eine badende Familie
samt Schwimmwurst zu sehen ist. Ihr seid zwar nicht die Ersten, die auf die Idee gekommen sind
ein Speicherbecken als Badesee zu verkaufen. Das allerdings unter Verneinung nordseitiger
Wetterverhältnisse auf 1200 Metern zu tun (denkt nur an den zurückliegenden August), belegt
einmal mehr eure vollkommene Unkenntnis in Sachen Klima. Was uns zum einem
mitentscheidenden Aspekt bei der Preisvergabe bringt.
Auch wenn man noch so viel Geld in wohlgefällige Klima-Gutachten, wie kürzlich erst euer
Seilbahn-Dachverband investiert … brandaktuell lässt die globale Erwärmung wirklich keine Zweifel
zu. Schließlich wird das Jahr 2014 in Deutschland nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes
aller Voraussicht nach das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sein. Ihr selbst hattet
zugegeben, die Bayerische Bergwelt für gerade einmal weitere 20 Jahre Ski-Profit massiv
umzugraben. Doch schon jetzt sehen wir trotz des nigelnagelneuen Speicherbeckens keinen
einzigen Lift laufen.
Summa summarum - den Bock des Jahres 2014 habt ihr euch redlich verdient.
Euer Mountain Wilderness Deutschland e.V.
Statements der beteiligten Umweltschutzorganisationen
DAV
Wir stehen heute hier, um unseren Unmut gegenüber dem Sudelfeld-Projekt kundzutun.
Diesem Projekt war der Deutsche Alpenverein von Beginn an ablehnend gegenüber
gestanden, weil das ein Schritt in die falsche Richtung ist. Vor Gericht hat der DAV zwar
verloren, aber macht nach wie vor seine Position deutlich. Der DAV ist nicht gegen
Pistenskilauf. Er tritt ein für eine Entwicklung mit Maß und Ziel, die dem Klimawandel und
dem Naturschutz Rechnung trägt. Es gilt, den Wintersport ökologisch, sozial und
ökonomisch verträglich zu gestalten, so dass er in seinen vielen Facetten auch dauerhaft
möglich ist. Das Ringen um den passenden Weg in die Zukunft wird dabei weitergehen.
Auch wenn es viele sehr unterschiedliche Ansichten gibt: Der DAV ist bereit, konstruktiv an
Lösungen für unsere liebenswerte Heimat mitzuarbeiten. Wir brauchen Mut, um neue
Wege zu gehen. Diesen Mut wünsche ich uns allen!
Hanspeter Mair, Geschäftsbereichsleiter Hütten, Naturschutz, Raumordnung beim DAV
JDAV Bayern
Generationengerechtigkeit ist nicht, wenn man Landschaftszerstörung mit weißem Kunstschnee
übertüncht. Um eine intakte Landschaft und Sportmöglichkeiten für zukünftige Generationen zu
erhalten muss der Teufelskreis des "immer mehr" und des "ständigen Wachstums" durchbrochen
werden. Wir brauchen viele verschiedene kleine Tourismus- und Wintersportlösungen, die an die
Situation und den Ort angepasst sind, anstatt es überall mit immer mehr Beschneiung und
Vergrößerung zu versuchen. Das aktuelle Beispiel zeigt dabei besonders das "immer größer" und
"immer mehr" einfach nicht passt.
Korbinian Ballweg
Bund Naturschutz
Die Verantwortlichen wollen mit dem Sudelfeld-Projekt dem Klimawandel ein Schnippchen schlagen
und damit dauerhaft die touristische Zukunft der Region sichern. Das wird nicht gelingen. Das
Skifahren wird zuerst immer teurer werden, weil man immer mehr Technik, mehr Energie, mehr
Wasser brauchen wird, dann wird es immer häufiger nicht mehr funktionieren, weil es zu warm ist
oder regnet, am Ende wird man es lassen. Wir verlieren den Winter wegen des hohen Einsatzes von Energie und kaufen ihn mit hohem Energieeinsatz wieder zurück. Das ist in fatales Signal! Man kann alles kaufen, sogar den Winter!
Schneekanonen werden zum Symbol der Unbelehrbarkeit. Es wird auch nicht die Zukunft der Jugend gesichert, sondern aufs Spiel gesetzt. Erstmals in der Geschichte der Menschheit arbeitet eine Generation mit ihrem Handeln gegen ihre eigenen Kinder und Enkel. Wer Nachhaltigkeit mit dem Ausnutzen von Abschreibungszeiträumen verwechselt,
verspielt Zukunft. Natur und Umwelt vertragen kein Denken in Abschreibungszeiträumen.
Deshalb hat Bayrischzell sich den Bock des Jahres für die größte Umweltsünde im Bayerischen
Alpenraum redlich verdient. Wir wünschen der Gemeinde, dass sie die Kraft findet, in Zukunft auch
neue Wege zu gehen und ihre Tourismuszukunft zu bewahren!
Axel Doering, Sprecher des BN Arbeitskreises Alpen und 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe
Garmisch
DAV München & Oberland
Die beiden großen Alpenvereinssektionen München & Oberland mit ihren über 150.000 Mitgliedern
setzen sich aktiv für die Vereinbarkeit von Bergsport und alpinem Umweltschutz ein. In unseren
offenen Veranstaltungsprogrammen wie in den rund 60 Gruppen geben wir Anleitungen und zeigen
Alternativen auf, die den klimatischen Realitäten entsprechen. Wie langweilig ist das sture „Weiter
so!” mit Kunstschnee-Skispaß gegen die Wetterverhältnisse?
Gerade die Bayerischen Alpen bieten viele „sanfte” Naturerlebnisse abseits des Pistelns: Beim
Winterwandern, Rodeln, Langlaufen, bei Ski- oder Schneeschuhtouren kann man Neues
kennenlernen und wo kein Schnee liegt einfach abschnallen oder absteigen. Freuen wir uns also
über natürlichen Schnee und lassen bei grünem Winterwetter die Brettl im Keller!
Bettina Ulrichs
Greenpeace Rosenheim
Die Menschheit muss einsehen, dass Skifahren kein Menschenrecht ist, ebenso wenig wie Reisen
ins All, Tiefseetauchen oder Flugreisen. Umso mehr, als andernorts Menschen und ihre Heimat im
steigenden Meerwasser versinken.
Die Sorge der Anwohner um ihre wirtschaftliche Existenz ist nur zu verständlich. Umso dringender
ist es, Alternativen zum Skitourismus zu entwickeln. Denn da der weltweite Klimawandel nicht
gebremst, sondern beschleunigt wird, ist der Skisport ein Auslaufmodell. Die Suche nach
umweltverträglicherer Freizeitgestaltung ist das Gebot der Stunde, anstelle des ruinösen
Wettrüstens der Skigebiete, das den Klimawandel weiter anheizt. Öffentliche Subventionen haben
im Ausbau der Skigebiete nichts zu suchen, sondern sind einzig Wahlgeschenke der Regierenden.
Justus Dallmer