Skitourenwoche in Georgien mit Besteigung Kazbek

  • Gipfel
    Kazbek
    Höhe
    5054
    Gebirge
    Großer Kaukasus
    Art der Tour
    Skitour
    Datum der Tour
    30. März 2025
    Ausgangspunkt
    Stepantsminda
    Gefahreneinschätzung
    erheblich

    Für eine Stippvisite bei Promotheus auf dem Kazbek flogen wir am 20.3. für etwas mehr als eine Woche ins schöne Georgien. Wir haben die Reise selbst organisiert, und hatten somit einen großen Spielraum bei der Ausgestaltung und, wenn nötig, spontanen Anpassung unserer Unternehmung an die Verhältnisse und die Bedürfnisse unserer Gruppe. Günstige Direktflüge gibt es direkt von München, und für vor Ort haben wir uns einfach einen Mietwagen mit 4x4 Antrieb reserviert. Dafür bedarf es dann mindestens eines nervlich gut gestählten Fahrers im Team um den allgegenwärtigen Schlaglöchern, eingeschneiten Straßen und ungeduldig drängelnden anderen Verkehrsteilnehmern zu trotzen. Alternativ wäre sicher auch die Nutzung von Taxidiensten möglich gewesen.


    Der Große Kaukasus ist ja berüchtigt für nicht unbedeutende Schneemassen, und so waren wir nicht überrascht über den angekündigten einen Meter Neuschnee gleich zu Beginn unserer Reise bei Ankunft in Tiflis. Mit Lawinenstufe 4 war allerdings erstmal nicht an die geplanten Eingehtouren zu denken. Doch praktischerweise lag ja das Skigebiet Gudauri auf dem Weg und drängte sich uns für einen Abstecher geradezu auf. Liftpässe wie auch die Unterkunft in 4-Sterne Hotels sind für einen Bruchteil der Kosten im heimischen Alpenraum zu bekommen. An Freeride- wie auch Tourenmöglickeiten wird die ganze Palette von lawinensicheren, sanften Hängen neben der Piste bis zu anspruchsvollen Unternehmungen in kaum besuchten Tälern alles geboten was man sich nur so wünschen kann.


    Der Kazbek ist generell ein technisch eher einfacher 5000er, der allerdings einige andere Schwierigkeiten aufweist, die man keinesfalls unterschätzen sollte. Dies ist zum Einen die konditionelle Herausforderung, denn 3280 Höhenmeter müssen by Fair Means ab Stepantsminda überwunden werden, und das mit schwerem Gepäck, denn die Bethlemi Hut, eine ehemalige Wetterstation, ist der Stützpunkt zur Akklimatisation auf halbem Weg zum Ziel. Dieser Lost Place bietet zwar ein Dach über dem Kopf aber sonst rein gar nichts an Annehmlichkeiten. Zum Anderen stehen übliche Hilfsmittel zur Navigation und Kommunikation nur sehr eingeschränkt zur Verfügung - das (digital) verfügbare Kartenmaterial ist wenig detailliert, und Hangneigungskarten stehen für Georgien generell nicht zur Verfügung. Auch die SOS-Funktion über Satellit hat bei mir zumindest im Demo-Modus nicht funktioniert. Die georgische Bergrettung verfügt auch nicht über Hubschrauber, und im Notfall würde es wohl Stunden oder Tage dauern bis diese zu Fuß eintrifft. Das größte Manko ist allerdings, dass die Route auf den Gipfelhang ab einer Höhe von 4500 Metern über russisches Gebiet führt, und der große Nachbar wohl vor lauter Angst einer Invasion durch die wackeren Georgier das GPS Signal lieber mal präventiv stört und unbrauchbar macht. Gute Sicht ist für die Wegfindung auf den weiten Gletscherflächen also zwingend notwendig. Immerhin gab es über weite Strecken, insbesondere bei der Bethlemi Hut, ein Mobilfunksignal. Ein Lawinenlagebericht steht auch zur Verfügung (www.avalanche.ge), allerdings ist dieser auf die Region um Gudauri beschränkt, und qualitativ nicht mit denen der Alpenregionen vergleichbar.


    Etwas später als gedacht starteten wir also bei dann bestem Wetter den Aufstieg ab Stepantsminda. Tagesziel war allerdings nicht, wie in den meisten Tourenberichten beschrieben, die Bethlemi Hut sondern die Altihut (www.altihut.ge) auf halbem Weg. Dies ist die erste bewirtschaftete Berghütte im europäischen Stil in Georgien. Diesen Stützpunkt wollten wir nutzen für eine ordentliche Akklimatisation, und das war sicher die beste Entscheidung der ganzen Tour. Die Hütte wird hervorragend geführt und ist eine wunderbare Oase in einer beeindruckenden Bergwelt. Wir waren die einzigen Gäste, und die Hütte hat extra für uns sogar schon eine Woche vor Saisonstart geöffnet. Die Preise sind zwar mit Hütten in der Schweiz vergleichbar, was in Georgien deutlich über dem Niveau von 4-Sterne-Hotels liegt, aber die Kombination aus Service, Ausstattung und Lage sind in Summe jeden einzelnen Cent wert.


    Rund um die Altihut erstreckt sich ein sehr ergiebiges Tourengebiet, das bei unserer Ankunft in seiner jungfräulichen Schönheit entdeckt werden wollte. Westlich des Kesi mit seiner markanten Felsnadel warteten südseitige, windgeschützte Genuss-Firnhänge aus denen man sich schöne Touren beliebiger Länge zusammenbasteln kann. Um den Weg Richtung Kazbek weiter auszukundschaften, bieten sich auch der Ortsveri oder der Spartak als vergletscherte Gipfelziele an. Wir haben den Aufstieg dahin auch genutzt um einen Teil unseres Gepäcks gleich auf der Bethlemi Hut zu deponieren.


    Letztendlich haben wir drei Tage auf der Altihut verbracht um ideale Bedingungen für den Kazbek abzuwarten. Dann ging es für eine Nacht weiter zur Bethlemi Hut. Diese war dann sehr spartanisch - das verlassene, unbeheizte Gebäude ist sehr stark ausgekühlt und bietet lediglich harte Pritschen in recht vergammelten Zimmern als Unterkunft. Ein warmer Schlafsack, Isomatte und ein leistungsfähiger Kocher zum Schnee schmelzen sollten unbedingt selbst mitgebracht werden.


    Ob der Mengen an Neuschnee, die wir in den ersten Tagen genießen durften, waren wir dann doch sehr überrascht dass bei der Hütte und oberhalb davon die Schneedecke sehr mau war - das erinnerte schon eher an die aktuellen Verhältnisse in unseren heimischen Gefilden. Teils waren die Moränen am Rande des Gergeti-Gletschers komplett frei geblasen und für die Abfahrt mit Ski nicht mehr geeignet. Eine Mulde östlich des Gletschers war immerhin noch ausreichend eingeschneit für einen recht gefahrlosen Aufstieg und Abfahrt ohne Spaltengefahr. Das breite Gletscherbecken schaltete allerdings auf Durchzug und eiskalte Fallwinde kühlten uns bei arktischen Temperaturen empfindlich aus. Selbst ein Tourenabbruch stand hier für uns zur Diskussion. Erst ab dem Gletscherplateau beim Kazbekskiy Pass konnten wir den Winden besser ausweichen und wieder etwas durchatmen.


    Dafür waren wir nun auf russischem Territorium, und der gewaltige 500 hm Gipfelhang bäumte sich respekteinflößend vor uns auf. In den mir bekannten Tourenbeschreibungen werden hier bis auf den ganz oberen Bereich keine besonderen Schwierigkeiten benannt. Dementsprechend erstaunt waren wir über die Gletscherbrüche, die den Hang durchzogen, und eine kundige Spuranlage ohne GPS-Hilfe erforderten. Gute Sicht ist hier also absolut essentiell. Neben der erheblichen Spaltensturzgefahr bei einem Whiteout wäre auch eine Abfahrt vom Plateau auf die russische Seite fatal, denn der Abstieg ins Tal ist dort technisch wohl sehr anspruchsvoll. Ganz abgesehen davon, dass eine Begegnung mit dem russischen Grenzschutz sicher kein Spaß wäre und inzwischen vielleicht sogar mit einem längeren Zwangsaufenthalt in Sibirien enden könnte. Der Schnee war auf dem gesamten Gletscher stark windverpresst, aber zumindest im Aufstieg mit Ski bis auf 4950 Meter gut machbar und maximal vielleicht 35 Grad steil. Anschließend folgte noch der finale, bis zu 45 Grad steile Schlusshang. Dieser war dann leichter zu begehen als erwartet - verpresst und teils leicht vereist, aber mit Steigeisen immer gut griffig. Zu unserer Überraschung war in der steilsten Passage sogar ein Fixseil verlegt, das wir natürlich dankend genutzt haben, und so dann tatsächlich dem Kazbek bis aufs Haupt steigen konnten. Prometheus war allerdings am letzten Freitag nicht zu Hause.


    Wir sind anschließend auf gleichem Weg wieder bis zur Altihut abgefahren. Leider war das kein Genuß - oben ein Labyrinth aus Windgangeln, weiter unten in den Mulden sulziger, schwerer Schnee. Der von uns ersehnte Firn war nicht existent. Alternative Abfahrtsvarianten wären ein weiter Bogen mittig über den Gergeti-Gletscher gewesen mit allerdings recht flachen Passagen, was dem Snowboarder in unserem Team nicht wirklich gut gefallen hätte oder über die Südwand direkt unterhalb des Gipfels. Zweiteres war uns dann doch zu wild, wurde aber von mindestens einer anderen Gruppe an dem Tag gemacht.


    Wir verbrachten nach der Abfahrt eine weitere Nacht in der Altihut und hofften auf finale morgendliche Firnfreuden auf den perfekt geneigten Hängen runter nach Stepantsminda. Abermals wurden wir enttäuscht - in den seit unserer Ankunft inzwischen schon stark ausgeaperten und sulzigen Hängen ging es vor allem darum ohne gebrochene Haxen unten anzukommen. Die intensive Frühlingssonne hatte hier, auf dem gleichen Breitengrad wie Rom gelegen, in den wenigen Tagen schon ganze Arbeit geleistet und die Bedingungen wieder deutlich verschlechtert. Wir waren aber trotzdem sehr froh über das günstige Zeitfenster das sich uns für das Abenteuer Kazbek in dieser Woche geöffnet hatte.


    Tolle Freeride-Optionen beim Skigebiet von Gudauri.


    Der Aufstieg von Stepantsminda führt vorbei an der berühmten Gergetier Dreifaltigkeitskirche, die unbedingt besucht werden sollte. Man kann auch mit dem Taxi bis zu der Kirche fahren und dort den Aufstieg starten.


    Kurz vor der Altihut (Mitte). Links davon in der breiten Mulde die schönen Firnhänge hoch zum Kesi, rechts davon der Aufstieg weiter über den Geregeti-Gletscher zum Kazbek.


    Die Altihut ist eine qualitativ sehr hochwertige Hütte zum Wohlfühlen auf 3000 m Höhe mit fantastischem Panorama.


    Traumhafte, jungfräuliche Firnhänge in Hüttennähe, die wir ganz für uns allein hatten.


    Sehr spartanisch, mit beinahe schon gruseliger Atmosphäre, empfängt einen hingegen die Bethlemi Hut.


    Ortsveri mit Gergeti-Gletscher, der Aufstieg zum Kazbek erfolgt durch Mulden rechterhand des Gletschers, die Abfahrt wäre auch in weitem Bogen über den Gletscher möglich.


    Ein sehr früher Start ist notwendig für den Gipfelerfolg, beim Aufstieg ist mit starken, sehr frostigen Winden zu rechnen.


    Der riesige Gipfelhang auf russischem Grund mit den erwähnten Gletscherbrüchen.


    Der finale, oft vereiste Gipfelaufstieg mit Sicherung durch Fixseil.

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