Eine Bergsportbekleidung aus Hanf - geht das? Und warum sollte das sinnvoll sein? Weil es nachhaltig und natürlich ist - und weil es in Bezug auf Tragekomfort, Atmungsaktivität und Thermoregulierung sehr gut funktioniert. Es gibt schon genug Microplastik aus Kunstfasern in unserer Umwelt. Salewa hat daher eine eigene Hanf-Kollektion auf den Markt gebracht. Christine Ladstätter ist Special Product und Innovation Managerin bei Salewa und erklärt in diesem Interview die Vorteile von Hanf-Bekleidung.
Interview mit Produktempfehlung (Werbung)
SALEWA stellt 2021 erstmals eine Sommerkollektion vor, die Shirts, Hosen und Tights für den Klettersport aus Hanf anbietet.
Seit wann beschäftigt sich SALEWA mit Hanf als Rohstoff für Funktionsbekleidung?
Christine Ladstätter: Bereits einige Jahre. 2016 haben wir die Faser zum ersten Mal für die Fertigung von Kletterhosen verwendet. 2017 haben wir, gemeinsam mit unseren CSR KollegInnen eine Machbarkeitsstudie initiiert und erarbeitet. Im Rahmen der Studie konnten wir verschiedene Materialien entwickeln und testen, um diese für die Salewa Bergsportbekleidung zu evaluieren. Wir haben sowohl in Europa als auch in China recherchiert, wie sich der Industriehanf, nicht zu verwechseln mit der Rauschmittelpflanze, entwickelt. Dadurch sind wir auf unterschiedliche Projekte gestoßen und hatten Gelegenheit, den Rohstoff selbst besser zu verstehen. Die Wertschöpfungskette und das Potential für eine nachhaltige Faser mit geringer bzw. ohne chemische Belastung waren uns wichtig. Außerdem die Aussicht, mit einer Faser arbeiten zu können, die in unseren Breitengraden wachsen kann.
Welche Pläne hat SALEWA mit dem Rohstoff für die Zukunft?
CL: Unsere R&D-Bestrebungen sind darauf ausgerichtet, Hanf als festen Bestandteil in die SALEWA Produkte aufzunehmen. Unser Ziel ist es, Polyester und Baumwolle damit zu ersetzen, denn die Produktion mit Hanf erweist sich als effizienter und nachhaltiger. Wir könnten dadurch den Anteil an Synthetik und Mikroplastik in unseren Kollektionen reduzieren. Da die Pflanze in Europa in allen Breitengraden wächst, bietet sie die Möglichkeit, Wertschöpfung und Erfahrung vor Ort zu planen. Die Faser ist in Europa industriell erst seit 2019 verfügbar und seitdem arbeiten wir an der Entwicklung von Garnen und einer Wattierung mit einer Hanffaser, die in Deutschland gewachsen ist und dort verarbeitet wurde.
Momentan stammt der Rohstoff aus China. Wie geht eure Entwicklungsarbeit weiter?
CL: Um einen Anbau in den Alpen zu realisieren, sind wir im Gespräch mit den Landwirtschaftsreferenten in Südtirol und Tirol sowie dem landwirtschaftlichen Forschungsinstitut Laimburg. Zusätzlich interagieren wir mit Unternehmen und Instituten, die Interesse daran haben, Hanf als Pflanze und Rohstoffquelle zu nutzen und zu erforschen. 10 Prozent unseres Umsatzes, den wir mit unserer ersten Alpine Hemp Kollektion 2021 generieren, investieren wir in den lokalen Anbau. Im Frühjahr 2018 haben wir zwei kleine Felder in der Region Bozen angebaut. So konnten wir das Wachstum der Pflanze beobachten und mehr über sie lernen. Unsere erste Ernte war spannend: Wir haben die Stängel geschnitten und mit alten, traditionellen Geräten aus der Region gebrechelt und gehechelt, um die Faser anfassen zu können.
Ihr habt mit dem Projekt „TirolWool“ bereits gezeigt, dass SALEWA Wert auf die Förderung zentraler Wirtschaftskreisläufe legt und die Verwendung von Rohstoffen aus dem Alpenraum unterstützt. Welche Partner braucht SALEWA, um das Projekt Alpine Hemp in Südtirol langfristig zu realisieren? An welchem Punkt steht SALEWA aktuell?
CL: Damit Alpine Hemp in Südtirol oder Tirol langfristig effiziente Verwendung findet, setzen wir auf das Interesse und die Begeisterung der Landwirte, die letztlich mit dieser Nutzpflanze arbeiten und experimentieren würden. Einige interessierte Bauern gibt es bereits. Sie arbeiten zum Beispiel mit den Blüten – für Cannabidiole (CBC) Öle und Kosmetik – und den Nüssen, die proteinreich sind und als Mehl oder Hanföl Verwendung finden. Die landwirtschaftlichen Flächen, die in Südtirol für alternative Landwirtschaft zur Verfügung stehen, sind nicht groß genug, um große Erträge einzubringen. Trotzdem wächst das Interesse der Bauern, da Hanf eine ausgezeichnete Wechselfrucht ist und als Tiefwurzler die Böden regeneriert. Zudem braucht die Pflanze wenig Wasser und auf den Einsatz von Pestiziden kann fast gänzlich verzichtet werden. Hanf produziert in kurzer Zeit sehr viel Biomasse. Es gibt Lösungen für die Erntetechnik, auch diese wird laut unserem Wissenstand weiterentwickelt, um verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden.
Ein weiterer Aspekt ist, dass wir für die Realisierung von Hanfanbau in Südtirol eine interessierte Lebensmittel- und Bauindustrie brauchen. Dazu natürlich auch die Möglichkeit für die Landwirte, aus den Blüten einen Wert zu schöpfen und mit dem Anbau einen fairen Ertrag zu generieren. Wir stehen im regen Austausch mit einer Arbeitsgruppe, die sich dem Thema widmet, um Projekte und Produkte in Südtirol und Tirol entwickeln zu können. Es gibt auch in anderen Ländern, wie z.B. der Schweiz Textilprojekte.
Neben den positiven Umweltkriterien, welche Vorteile können sich Bergsportler von Bekleidung aus Hanf erwarten?
CL: Die aktuellen Stoffe der Salewa Kollektion bestehen aus Alpine Hemp Ripstop. Der neue Stoff erfüllt einige wichtige Kriterien: Wir haben mit dem Materialmix ein überzeugendes Gleichgewicht zwischen Gewicht, Elastizität und Haltbarkeit gefunden. Die Haptik ist textil, aber auch technisch funktional, der Ripstop steht für die DNA der Marke und gilt als robuster, langlebiger Stoff. Wir erreichen einen weichen, textilen Griff für ein angenehmes Tragegefühl auf der Haut.
Die Hanffaser ist höchst atmungsaktiv und isolierend. Sie schützt vor Auskühlung und Überhitzung, fühlt sich durch die holzige „Bast“-Natur eher kühl an und wird deshalb vorwiegend bei milden bis warmen Temperaturen eingesetzt. Die Hanffaser schließt viel Luft ein. Bei Tests konnten wir beste Werte für Atmungsaktivität und Isolierungsfähigkeit feststellen. Hanf verfügt über die Eigenschaft, Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben. Zudem lädt sich Hanf nicht elektrostatisch auf. Dies trägt entscheidend zum Tragekomfort bei. Die Faser ist zwar an sich nicht elastisch, wird aber beim Tragen weich und verliert ihre natürliche, holzige Struktur. Dieser Prozess wird durch Feuchtigkeitsaufnahme angeregt. Die Elastizität erzielen wir aktuell durch die Mischung mit anderen Fasern beziehungsweise auch durch moderne Spinntechnologien, die wir einsetzen.
Wir haben das Material intensiv und vielseitig am Berg getestet und stufen die Faser als sehr komfortabel ein. Diese Merkmale und Erfahrungen waren grundlegend, um das Material in die Kollektion aufzunehmen. Die Kletterhose aus Alpine Hemp Ripstop besteht aus einer Mischung aus Hanffasern und recyceltem Polyester. Diese Kombination schenkt dem Produkt u.a. Elastizität. Die Hanffaser als lange Faser gilt als eine der stärksten Naturfasern Im nassen Zustand wird sie sogar noch reißfester, was sie für Kletter- und Bergbekleidung interessant macht. Interessant ist auch, dass sich Hanf durch seine Beschaffenheit kühler anfühlt als Wolle.
In welchen Bekleidungsteilen macht Hanf Sinn? In welchen nicht? Und warum?
CL: Hanf eignet sich als Material für Kletter- und Bergsporthosen, bei denen der Tragekomfort, die Atmungsaktivität, die Thermoregulierung sowie die textile Haptik im Vordergrund stehen. In diesem Bereich können wir unterschiedliche Gewichtsklassen, unterschiedliche Bedürfnisse und Einsätze abdecken. Ebenso ist Hanf ein angenehmer Stoff für Shirts und Hemden, da auch hier der Tragekomfort und die Atmungsaktivität eine zentrale Rolle spielen. Hanf ist antibakteriell, die Stoffe riechen nicht und müssen so (wie bei Wolle) nicht nach jedem Bergerlebnis gewaschen werden. Im textilen Bereich wird aktuell viel in Research & Development investiert. Wir gehen davon aus, dass es in Zukunft sicherlich unterschiedlichste Hanf-Qualitäten geben wird, mit denen die Bekleidungsbranche teilweise Wolle, Baumwolle und Polyester ersetzt.
Atmungsaktive Isolatoren sind für alle Jahreszeiten ein Thema. Hanffasern sind hier äußerst geeignet. Für sehr leichte Stoffe ist die Hanffaser zu dick, hier bestehen Grenzen.
Wie nachhaltig ist SALEWA Bekleidung aus Hanf aktuell?
CL: Die Hanffaser der aktuellen SALEWA-Kollektion für KletterInnen wächst im Norden von China in der Provinz Heilongjiang. Die Faser wird in einem speziell entwickelten Verfahren aufgeschlossen, um dann in Form von Elementarfasern versponnen zu werden. Diese Fasern werden mit zertifizierten recycelten Polyester-Fasern gemischt und als Mischgarn weiterverarbeitet. Der Dienstleister, der das Spinnen übernimmt, ist ein langjähriger Partner unseres Stoffherstellers. Das Material erhält keine weiteren chemischen Ausrüstungen, sondern wird lediglich gefärbt, um dann zu Hosen verarbeitet zu werden. Für die Jerseys und T-Shirts kombinieren wir Hanf mit Biobaumwolle. Diese entstehen in der gleichen Wertschöpfungskette. Unsere Nähwerkstatt in Indien ist – wie alle unsere Lieferanten und Dienstleister – durch die Fair Wear Foundation zertifiziert.
Die Teile und Rohmaterialien stammen somit aus Drittländern und werden als Produkte in die EU eingeführt. Nichtsdestotrotz sind wir überzeugt, dass auch eine in China gewachsene Hanf-Faser in Kombination mit recyceltem Polyester oder Bio-Baumwolle eine bessere und nachhaltigere Alternative bietet, als herkömmliche Baumwolle und Polyesterprodukte.
Recyceltes post-consumer Polyester ist wichtig, Polyester ein langlebiges Material, das sich über 100 von Jahren nicht absetzt, also sinnvollerweise wieder in den Produktzyklus eingeführt werden sollte.
Die Produktion in Drittländern bringt lange Transportwege mit sich, die Preisstrategien des Marktes und die nachhaltige Bewirtschaftung der Marke macht es uns im Augenblick nicht möglich, in der EU zu produzieren. Wir lassen diese Möglichkeit jedoch nicht aus dem Auge, genauso wie wir an dem Projekt Alpine Hemp, lokal gewachsen, weiterarbeiten.
Hersteller: Salewa - Oberalp SPA
Firmensitz: Waltraud Gebert Deeg Straße, 4, 39100 Bozen - Italien
Internet: www.salewa.com