Immer mehr Menschen kommen auf den Geschmack langer Radtouren. Seit den 1980er Jahren hat der Fahrradtourismus in Mitteleuropa stark an Popularität gewonnen und gerade auch die Deutschen reisen immer lieber auf zwei Rädern lange umher. Lange bedeutet in diesem Fall, dass Touren über zeitlich längere Zeiträume von mehreren Wochen oder gar Monaten unternommen werden. Die viele Zeit erlaubt es dann automatisch natürlich auch, deutlich weitere Strecken zurückzulegen. Besonders einfach umzusetzen sind lange Radreisen, wenn sie innerhalb Europas realisiert werden. Dann muss man sich auch nicht mit mitunter schwierigen Grenzüberquerungen und vor allem nicht mit dem Transport des Rads und des Gepäcks im Flugzeug oder auf Schiffen auseinandersetzen. Europa bietet außerdem genügend Fläche und Abwechslungsreichtum, um monatelange Touren individuell zu planen und durchzuführen.
Eine lange Radtour durch Europa ist eine durchaus fordernde und anstrengende Unternehmung. Gerade im Süden geht es oft bergig zu und nicht überall ist das Gelände so gut befahrbar und passierbar wie in den meisten Regionen und Gebieten Deutschlands. Doch diese Herausforderung gehört dazu. Die Qualitäten einer langen Radtour liegen in der Art und Weise des Reisens, die eine Radreise durch Europa automatisch mit sich bringt. So lassen sich diverse Reiseländer, die man sonst vielleicht gezielt mit dem Flieger ansteuert, mit einem Rad auf ganz neue Weise erleben. Dabei wird nicht nur eine einzelne Region deutlich entschleunigter und intensiver erlebt und kennengelernt. Vielmehr lässt sich beim Radfahren ein ganzes Land in seiner Vielfältigkeit so intensiv entdecken, wie sonst nur noch zu Fuß. Egal, wo es einem gefällt und wo man sofort hin möchte – das Rad bietet die Flexibilität, Pläne auch einmal spontan über den Haufen zu werfen, um Halt zu machen und den Moment voll aufzusaugen.
Dass das Rad sich als Fortbewegungsmittel für eine Europatour bestens eignet, lässt sich aber nicht alleine auf die Entschleunigung und den gleichzeitig doch vorhandenen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber Wanderungen zurückführen. Vielmehr ist das Rad auch eines der wenigen Transportmittel, das mit einem Vielfachen des eigenen Gewichts beladen werden kann. In manchen Ländern werden auf Rädern Handelswaren transportiert, die man sich im Traum nicht auf einem Rad vorstellen kann. Hunderte von Bananen oder unzählige Töpfe und Pfannen stellen dabei keine Seltenheit dar.
Wer zu Fuß unterwegs ist, muss sich deutlich mehr beschränken und infolgedessen unkomfortabler reisen und mitunter – etwa zum Waschen und Wäsche trocknen – häufiger rasten. In ein Auto wiederum passt zwar ein bisschen mehr, als auf ein Rad, doch die Reise durch Europa wird aufgrund der Sprit-, Maut- und weiterer Zusatzkosten deutlich teurer. Hinzu kommt, dass ein Rad bei einer Panne in der Regel schnell repariert werden kann und dass diese Reparaturen häufig auch nicht der Hilfe eines Fahrradmechanikers bedürfen. Die für gewöhnliche Reparaturen nötigen Werkzeuge und Ersatzgegenstände lassen sich außerdem immer am Rad mitführen.
Wo wir schon so viel vom Rad an sich sprechen, bleiben wir doch zunächst dabei und schauen uns genauer an, welches Rad sich eigentlich für eine Tour durch ganz Europa am besten eignet. Grundsätzlich muss für eine längere Reise nicht unbedingt ein gesondertes Rad angeschafft werden, wenn man bereits über ein hochqualitatives Trekkingrad verfügt. Dennoch erlauben spezielle „Reise-Fahrräder“ das Mitnehmen von zusätzlichem Gewicht. Das zahlt sich bei langen Reisen aus.
So sollte zumindest sichergestellt werden, dass neben dem Eigengewicht mindestens 30, besser noch 50 Kilogramm Gewicht oder gar mehr mit aufs Rad gepackt werden können. Das mag zwar viel klingen, beginnt man aber einmal, die wichtigsten Sachen zu packen, merkt man schnell, was dabei alles an Gewicht zusammenkommt (siehe die Packlisten im übernächsten Abschnitt). Es gibt einem außerdem ein besseres Gefühl, das Rad nicht bis zum absoluten Limit beladen zu haben und somit ständig hoffen zu müssen, dass diverse Schläge während der Fahrt eventuell das Ende bedeuten könnten.
Eine gute Grundlage stellen ein stabiler Rahmen mit dicken 26 Zoll Rädern dar. 26 Zoll Felgen und gute Reifen, bzw. Mountainbikereifen lassen sich fast überall in Europa, wenn nicht sogar weltweit bekommen. Deshalb macht man mit dieser Größe nichts falsch. Zu empfehlen für das Europa-Rad sind weiterhin:
All die Sachen, die auf eine Radreise so mitkommen, müssen irgendwo sicher verstaut werden. Sicher bedeutet, dass sie beim Fahren nicht vom Rad fallen können, nicht zu stark herumwackeln und dass sie auch nicht nass werden. Um dies alles zu gewährleisten, empfiehlt es sich in hochwertige Taschen zu investieren. Dabei werden in der Regel unterschieden:
Bekannte Hersteller diverser Radtaschen sind Ortlieb, Vaude, Brooks und Rixen & Kaul oder als günstigere Alternative auch Crosso. Mit diesen Marken macht man in der Regel nichts falsch, wobei es sicher auch andere Hersteller gibt, die vielleicht noch nicht so etabliert sind und trotzdem gute Produkte anbieten. Egal, für welche Taschen sich letztlich entschieden wird: Wichtig ist beim Packen dieser, dass das Gewicht möglichst gleichmäßig vorne und hinten verteilt wird. Schwere Gegenstände werden darüber hinaus am besten weiter unten in Taschen platziert. Grundsätzlich gilt natürlich außerdem: Je weniger Gewicht, desto besser. Spätestens, wenn die Anstiege zunehmen, bereut man überflüssige Kilos immer.
Zusätzlich ans Rad gehören neben Taschen für eine Radreise durch ganz Europa außerdem einige „Extras“, wobei viele davon natürlich zur Standardausrüstung eines jeden Bikes gehören:
Sowohl beim Rad, als auch bei allen Taschen und Extras gilt übrigens: Lieber vor der Reise ein wenig mehr investieren und auf Qualität setzen, als sich während der Reise zu ärgern, genau dies nicht getan zu haben. Wer hier spart, versaut sich unter Umständen zeitweise die Erfahrung. Gutes Material ist neben der richtigen Ausrüstung sowie einer präzisen Planung der Radreise durch Europa – dazu im letzten Abschnitt mehr – einfach das A und O.
Genaue Packlisten müssen natürlich immer individuell erstellt werden. Dennoch haben wir einmal einige Packlisten für diverse Bereiche zusammengestellt, die als erste gute Orientierung für mehrwöchige Radtouren durch Europa dienen können.
Allgemeines
Ist der Entschluss fest gefasst, eine Europatour mit dem Rad anzugehen und ist auch das passende Rad nebst Ausrüstung besorgt, geht es letztlich an die genaue Planung der langen Reise.
Die Wegstrecke - Hierbei ist es zunächst sinnvoll, sich eine ungefähre Wegstrecke zu überlegen und diese auf einer digitalen Karte nachzuzeichnen. Dadurch ergeben sich fast automatisch Streckenabschnitte, wenn man sich überlegt, wie viele Kilometer man täglich ungefähr zurücklegen möchte. Ruhetage und Tage, an denen gezielt Städte oder besondere Landstriche besichtigt werden können, sollten außerdem ebenfalls unbedingt eingeplant werden.
Wer den ganzen Tag auf dem Rad verbringen möchte und fit ist, schafft gut 100 Kilometer oder gar mehr am Tag. Allerdings muss auch bedacht werden, dass der Bodenbelag, Wind- und Wetterverhältnisse, Steigungen oder gar Fährverbindungen sowie ungeplante Baustellen das Vorankommen immer erschweren. Zusätzliche Tage einzuplanen und keine absolut genauen Vorstellungen davon zu haben, wann man wo sein muss, ist also keine schlechte Idee.
Um eine etwaige Tour zu planen wird ein vermutlicher Zeitraum und ein Startpunkt festgelegt. Dann werden die zu erwarteten Reisetage mit der Zahl an Kilometern multipliziert, die man meint, durchschnittlich täglich schaffen zu können. Anschließend ergibt sich ein Kilometerwert, den man durch Europa hindurch den eigenen Vorstellungen nach verteilen kann.
Wo unterkommen? - Wichtig ist – egal ob man campt oder in diversen Einrichtungen unterkommt – sich vorab zu informieren, wo genau und für wie viel Geld übernachtet werden kann. Von Wildcampen sollte abgesehen werden, wenn man sich nicht genau auskennt. Den Ratgeber von pincamp kann man sich zu dem Thema einmal genauer anschauen.
Viele Radreisende, die im Zelt übernachten, planen übrigens spätestens nach einer Woche Radfahren und „draußen schlafen“ einen Pausentag ein. Der wird dann zum Wäschewaschen und Erholen genutzt und meist in einem Hostel oder günstigen Hotelzimmer verbracht. Wer europaweit Bekannte hat, kann natürlich auch immer wieder mal bei diesen vorbeischneien. Pausentage sind wichtig, um sich einerseits nicht zu überanstrengen und andererseits mal mit anderen Dingen zu beschäftigen, als dem Radeln und dem reinen Beobachten der Landschaft im Vorbeifahren.
Ebenfalls empfehlenswert ist das Radfahrer:innennetzwerk warmshowers.org. Hierbei handelt es sich um eine Art Couchsurfing speziell für Radfahrer:innen. Wer etwa alleine unterwegs ist und gerne sozialen Kontakt während der Radreise hat und sich mit Gleichgesinnten austauscht, ist hier sicher richtig aufgehoben. Außerdem kann eben mit etwas Glück fast immer kostenfrei irgendwo mit Dach über dem Kopf übernachtet werden. Allerdings sollte man dann auch bereit sein, bei sich zuhause zukünftige Radreisende aufzunehmen und übernachten zu lassen.