tourentipp.com-Autorin Doris Neumayr zieht es immer wieder in den Südosten Frankreichs zum Mountainbiken, Wandern und Klettern ins Paradies von Les Pays du Buëch. Sie ist hingerissen von dieser vielfältigen Landschaft mit ihren nahezu unendlich vielen Freizeitmöglichkeiten. In diesem Artikel lässt uns Doris Neumayr teilhaben an ihrem Glück...
Die liebliche Provence und die rauen Hautes Alpes. Bei klarem Wetter zeigen sich die kühlen Eisgipfel der Dauphiné in voller Pracht. Während das goldene Licht der nahen Provence und ein laues Windchen für Wohlfühltemperaturen sorgen bis weit in den Juni hinein. Im Hochsommer weht heiße Luft, geschwängert vom ätherischen Wohlgeruch des Lavendels über die Lande. Ernte und Destillation laufen dann auf Hochtouren. Hier finden Sie weitere Gebietsinfos zu den Les Pays du Buech.
Biketour - Heute Morgen sind wir zwei, Thomas und ich, mit dem Mountainbike gestartet. Und gleich haben wir unser Tagesziel erreicht. Stahlblauer Himmel spannt sich über das karstige Plateau mit den Buchsbäumen auf der Crête de la Plane (1203 m). Weit oben schwebt ein Drachenflieger lautlos durch die Lüfte. Bald ist er nur noch als winziger Punkt am weiten Firmament erkennbar. Dann verschwindet er hinter den sattgrünen Kämmen der Baronnies. „Auf geht‘s!“ Wir stellen unsere Federgabeln auf „Downhill“ und rumpeln mit unseren Mountainbikes auf holprigen Karrenwegen hinab. Winzige Siedlungen ducken sich zwischen Krüppeleichen und kitschig schönen Mohnfeldern neben dottergelben Ginsterbüschen. Auf den Wiesen grasen weit verstreute Schafherden. In der Mittagszeit erscheinen die verträumten Dörfer wie ausgestorben. Oft trifft man aber den ganzen Tag keine einzige Menschenseele. Wenig später rollen wir auf flirrendem Asphalt in den Ort Orpierre. Im Halbrund schmiegen sich verwinkelte Häuser in den engen Talkessel. Dahinter ragt das Felsmassiv Quiquillon wie ein riesiger Schiffsbug in den Himmel. Im charmanten Ort gibt es fast alles, was das Herz begehrt: eine Bäckerei, zwei Kneipen, einen Klettershop, einen „Tante Emma Laden“, eine Kirche und einen Bouleplatz, wo ältere Männer glänzende Kugeln in den Sand werfen.
Man spricht „Patois“, ein provenzalischer Dialekt, den ich mit meinem Schulfranzösisch kaum ein verständliches Wort abgewinnen kann. Der Campingplatz mit den Holzhäuschen liegt etwas erhöht in den grünen Hängen des St. Michel. In der milden Abendsonne auf der Terrasse unseres Holz-Chalets schmeckt ein Gläschen vom kühlen „Rosé“ wirklich fantastisch.
Markttag - Am nächsten Morgen geht es auf den Markt in Larangne Montéglin. Schon sind wir mittendrin und schlendern zwischen den Ständen. Auf einem wackeligen Stuhl hockt ein Bauer mit einem Zigarettenstumpen lässig im Mundwinkel. Vor ihm steht ein hölzerner Käfig. Zwischen den Stäben erscheinen im schnellen Wechsel unzählige Hühnerschnäbel, das frenetische Gackern dazu ist kaum vorstellbar. Nebenan sucht eine opulente Frau in einem Haufen kunterbunter Dessous in allen Über- und Untergrößen nach einem passenden Schnäppchen. Auf dem Wühltisch mit den CDs bleibt sicher kein musikalischer Wunsch unerfüllt: „Voulez vous couchez avec moi“, dröhnt es viel zu schrill aus dem Lautsprecher. Um die Ecke in der Gemüseabteilung feilscht man um die knackigsten Salate und Tomaten. Ein Duftgemisch aus Thymian, Rosmarin, Curry, Paprika und Knoblauch weht über den Marktplatz. Schwer bepackt mit Tüten und Taschen schleppen wir uns zum letzten kulinarischen Höhepunkt unseres Ausfluges: „Tourtons“. Die krustigen Teigtaschen gefüllt mit Spinat, Ziegenkäse, Kartoffelbrei oder Pflaumen schmecken heiß dampfend einfach am besten, „bon appétit!“
Bergtour auf den St. Genis - Der weithin sichtbare Koloss Montagne de St. Genis (1270 m) steht heute auf unserem Programm. In der kesselartigen Schlucht hinter dem Dorf St. Genis fühlt man sich in einen Karl May Film versetzt und wäre nicht überrascht, wenn gleich Winnetou höchst persönlich auf einem Felsvorsprung erschiene. Der schmale Weg führt durch einige Felsentunnels beständig höher. Unten rauscht der Fluss Riou und bezaubert mit glasklaren tiefen Gumpen.
Stunden später stehen wir auf dem weiten Gipfelplateau und staunen über ein Meer aus flauschigen Wollblumen. Mit jedem Windstoß wogt eine Welle über den Ozean aus Blüten. Wandern in dieser Region bedeutet über viele Stunden allein unterwegs zu sein. Einkehrmöglichkeiten gibt es fast nur in den Tälern. Gut, dass unser Rucksack voll ist. Klar, dass einige Leckereien vom gestrigen Markttag zum Vorschein kommen.
Kletterparadies Orpierre - In Orpierre ist Klettern nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Seit mehr als 20 Jahren fördert und unterstützt die Gemeinde die vertikale Sportart. Der Besitzer des örtlichen Kletterladens „Vertige Sport“, Nicolas Jeannin, ist offiziell beauftragt neue Routen einzurichten und alte zu sanieren. Mit von der Partie, wenn er nicht gerade in seiner Gîte Les Drailles kocht, ist Pierre-Yves Bochaton. Inzwischen findet man über 500 mit Bohrhaken ausgestattete Seillängen und es gibt wirklich für jeden lohnende Touren in bestem Kalkfels. Wir plagen uns einen steilen Weg hinauf und stehen schließlich vor dem Klettersektor: „Dalles du Paradis“.
Eine steile, wasserzerfressene Wand, die nur darauf wartet, dass die Schweißperlen fließen. Mehr als ein Duzend Einseillängen, Routen von 5c bis 6b, stehen zur Auswahl. Das heißt, im Vorstieg ist für mich nicht allzu viel zu holen. Dennoch gelingen mir nach schwerem Kampf ganze zwei Linien. Danach überlasse ich mit aufgepumpten Armen bereitwillig Thomas den Vorstieg. Als wir unseren Klettertag am späten Nachmittag müde aber zufrieden beenden, bleiben wir noch ein wenig sitzen am Wandfuß und blicken über das weite Tal hinweg. Dass morgen unser Urlaub zu Ende ist, fühlt sich ein bisschen an wie die Vertreibung aus dem Paradies. Aber wir kommen wieder, keine Frage...
Alle weiteren Infos (Übernachtungsmöglichkeiten, Anfahrt, Kartenmaterial, Infos zu Sportarten, Links) finden Sie hier im 2. Teil des Reiseberichts.
Autorin: Doris Neumayr; Bilder: Neumayr & Adobe Stock (Jürgen Feuerer)