Der Langkofel ist ein Alpiner Klassiker. Obwohl ein Prestige-Ziel ist der Normalweg auf diesen Dolomiten-Berg nicht überlaufen und bietet reizvolle Genusskletterpassagen. Bernhard Ziegler berichtet über Route, Mythos und Geschichte.
Wer gerne in die Berge geht, kennt das sicher: Es gibt ein paar Traumziele, ein paar Gipfel, die möchte man gerne irgendwann einmal machen. Meist sind es nicht die „alltäglichen“ Gipfel, die direkt vor der Haustüre, sondern es sind auf die eine oder andere Weise besondere Berge. Manchmal dauert es Jahre oder Jahrzehnte bis es dann endlich klappt. So ist es auch Bernhard Ziegler mit dem Langkofel ergangen. Von diesem stolzen Dolomiten-Gipfel hat er seit Jahren geträumt. Doch mal war das Wetter kein Langkofel-Wetter, mal die eigene Kondition keine Langkofel-Kondition, mal fehlte der richtige Partner oder ganz einfach die Zeit dafür. Im Juli 2010 hat es endlich geklappt.
Geradezu herausfordernd schön und imposant thront der Langkofel über dem Grödnertal. Kein Wunder, dass der bergfanatische Luis Trenker keine Gelegenheit ausließ von diesem Wahrzeichen Grödens zu schwärmen, und auch als Filmkulisse musste dieser Dolomitenberg immer wieder herhalten. Gerade wenn die Morgennebel um seine steil aufschießenden Felsflanken wabern und die aufgehende Sonne das Gestein fast rosa färbt, wird er zur magischen Postkartenschönheit. Wie eine Königsburg sieht er dann aus in all seiner Erhabenheit.
Natürlich zieht so ein Gipfel die Bergsteiger an wie ein Magnet. Doch der Langkofel will erobert werden, will seinen Mythos bewahren und gibt sein Geheimnis nicht jedem ohne Weiteres preis. Weniger poetisch gesprochen, heißt das, dass der Langkofel ein Berg für Bergsteiger ist. Bergwanderer dürfen ihn bewundern, sie können ihn in einer 3 ½ stündigen schönen Tour umrunden (gut 6 Stunden würde man für die Umrundung des ganzen Massivs inkl. Plattkofel brauchen), doch der Gipfelanstieg bleibt eine alpine Unternehmung. Der Langkofel wurde nämlich nicht wie viele andere Dolomitenberge mit Drahtseilen und Eisenstiften entweiht, es gibt keine Markierungen und die Route verlangt klettertechnische Fertigkeiten bis zum oberen III. Grad (UIAA). Doch das ist nicht alles: auch geübte Bergsteiger bekommen an diesem Berg oft Probleme mit der Orientierung. Die Route ist nämlich verzwickt und erschließt sich einem nicht immer auf Anhieb.
Wie war das wohl damals am 13. August 1869, am Tag der Erstbesteigung des Langkofel? Welche Erkundigungen hat Paul Grohmann wohl vorher unternommen, wie schwierig war es für ihn in einer Terra Incognita ohne jegliche Steigspuren unterwegs zu sein. Und dennoch hat der Wiener Alpinist eine Route gefunden und den Gipfel als erster bestiegen. Aus dem sog. Cunfinboden ging’s ins Langkofelkar und von dort über eine steinschlaggefährdete Rinne direkt ins Amphitheater. Die Route von dort zum Gipfel verlief dann ungefähr entlang der auch heute noch üblichen Normalroute.
Und heute? Da nimmt man bequem den Lift und fährt mit den ersten Kabinen des jungen Tages hinauf in die Langkofelscharte mit der Demetzhütte. Dann steigt und klettert man über das Fassaner Band zum Amphitheater. Flavio Moroder, der Chef der Grödner Bergschule Catores, begleitet mich. Auch wenn mich die klettertechnischen Schwierigkeiten nicht sehr herausfordern, so bin ich doch beinahe mit jedem Schritt dankbarer, einen kompetenten und vor allem ortskundigen Führer zu haben.
Der Langkofel bewahrt sein Geheimnis wirklich gut; während der Berg von außen wie ein geschlossenes, kompaktes Massiv aussieht, erweist er sich innen als kariöser Backenzahn. Ob es da oder dort hinaufgeht, ob man links oder rechts einem Felseneck ausweicht, wo Sicherungsmöglichkeiten sind und wo nicht, all das ist alles andere als einfach zu finden. Und so kommt es, dass an diesem herrlichen Juli-Tag außer uns nur 2 andere Bergsteiger unterwegs sind. Weil Flavio den Weg wie seine Hosentasche kennt, erreichen wir den Gipfel relativ rasch und noch deutlich vor der Mittagsstunde. Ca. 650 Höhenmeter sind zu bewältigen - das scheint auf dem Papier recht wenig. Doch die Wirklichkeit ist anders, denn man gewinnt die Höhen überwiegend mit Klettern, dazwischen warten immer wieder zeitraubende Querungen. Und so ist der Langkofel auch konditionell nicht zu unterschätzen.
Fast sagenumwoben ist auf der Tour die sogenannte Untere Eisrinne. Flavio erzählt mir, dass diese Passage schon immer zur besonderen Charakteristik des Langkofel gehörte. „Wie sind die Verhältnisse in der Eisrinne?“ – das war die erste und oft die alles entscheidende Frage, wollte man diesen herrlichen Dolomitenberg besteigen. Doch die Ausaperung der Gletscher macht auch am Langkofel nicht halt. Während man im Frühsommer oft noch ganz gute Verhältnisse vorfindet, ist die Rinne später im Jahr meist beinhart ausgeapert und auch steinschlaggefährdet. Und so hat man links neben der Rinne eine Alternativroute über den Felsgrat eingerichtet. Über diesen kann man in wunderbarer Kletterei ausweichen, und noch dazu Steigeisen und Pickel zu Hause lassen. Überhaupt bietet diese klassisch anmutende Route wunderbare Genusskletterei. Anhaltend schön geht es über gut gestufte Felsen; Griffe und Tritte braucht man nicht lange zu suchen und weil die Route wirklich nicht überlaufen ist, sind die Felsen auch nicht abgespeckt, sondern griffig.
Autor: Bernhard Ziegler - Bilder: Ziegler, Moroder & Daniel Prudek (Adobe Stock)