Hochalpine Bergwelt, weiße Sandstrände und glitzerndes Meer: Für tourentipp.com-Autorin Astrid Süßmuth ist Korsika Inbegriff aller Bergsteigerträume und seit ihrer Kindheit heißgeliebtes Urlaubsziel. Wo sonst lassen sich diese scheinbaren Gegensätze so mühelos und dabei genussvoll kombinieren?
Schon vom Schiff aus könne er seine Insel am Geruch der Macchia erkennen, sagte einmal Napoleon Bonaparte, der berühmteste Korse. Tatsächlich ist die schönste Art nach Korsika zu gelangen die mit der Fähre und tatsächlich ist auch ein Großteil der Insel mit Macchia, einem schier undurchdringlichem, dornigen Buschwerk aus Rosmarin, Cistrosen, Immortellen und allerlei Disteln bewachsen.
Politisch ist Korsika zweigeteilt, und zwar in den nördlichen Abschnitt "La Haute Corse" und das südliche "La Corse-du-Sud". Das korsische Hochgebirge rund um den Monte Cinto als höchste Erhebung befindet sich im nördlichen Inseldépartement. Der Süden lädt vor allem zu ausgedehnten Badefreuden ein; hier befinden sich aber auch ausgedehnte Kiefernwälder und etliche prähistorische Relikte der Megalithkultur. Die meisten Besucher Korsikas kommen in Bastia an. Das ist eine quirlige Hafenstadt im Nordosten der Insel, die für die meisten dann aber doch nur Stopover ist. Für Korsika-Neulinge empfiehlt es sich, die Insel zunächst auf einer Rundreise kennen zu lernen. Als günstig hat sich die Fahrtrichtung im Uhrzeigersinn erwiesen, da dann die Sonne eher wenig blendet. Zudem wird die Landschaft immer schöner. Wer noch Cap Corse, den nördlichsten Punkt des korsischen Zeigefingers besuchen möchte, fährt von Bastia aus zunächst in den Norden; die eigentliche Korsika-Rundfahrt führt von Bastia an der Ostküste auf der N198 nach Süden.
Bei Cervione beginnt die kleine Zusatzrunde durch die Castanicca, die auch wieder in Cervione endet. Zurück auf der Küstenstraße, zweigt bei Solenzara die B268 zum Col de Bavella ab. Vom Bavella-Massiv aus führt der Weg über kleine Straßen ganz in den Süden nach Bonifacio. Diese über 1000 Jahre alte Festungsstadt thront malerisch auf den berühmten Kreidefelsen. Dann geht es die Südküste entlang nach Propriano. Die Straße an der Ostküste zwischen Propriano und Porto ist wunderschön zu fahren. Doch noch wilder wird die Gegend, wenn es nach Porto zuerst durch das wilde Felsenmassiv der Calanches und dann auf der schmalen Autostraße (der D84) ins Inselinnere geht. Nur 10 Kilometer nördlich dieser Einmündung auf die Nationalstraße N193 zweigt die D147 ab. Es ist der Weg zum höchstgelegenen Ort Korsikas, Haute Asco. Zurück auf der N193 sind die Fährhäfen von Bastia, Île Rousse und Calvi gut erreichbar.
Der auffallende Finger der korsischen Insel ist 40 km lang und zwischen 10 und 15 km breit. Rückgrat dieser Halbinsel ist ein steiler Bergrücken mit dem darüber aufragenden Monte Stello (1307 m) – ein Berg mit grandioser Aussicht. Unbedingtes Ziel am Cap Corse ist natürlich eine Wanderung zum äußersten Nordkap, an dem entlang der Sentier de Douanier ("Zöllnerweg") führt. Der gut markierte Wanderweg geht von Macianaggio im Osten nach Centuri am Ostufer und verwöhnt über 26 Kilometer (ca. 8 Stunden Wanderstrecke) mit unglaublich schönen Tief- und Ausblicken. Einziger Nachteil ist die fehlende Anbindung des Zielortes an das öffentliche Verkehrsnetz. Am besten schließt man sich daher mit einer anderen Wandergruppe zusammen, um auf jeder Seite ein Auto stehen zu haben.
Die schönste Zeit für einen Besuch in der Castaniccia ist der Herbst, wenn sich die Blätter der allgegenwärtigen Kastanien stimmungsvoll in allen Goldtönen verfärbt haben. Anders als entlang der Küste oder im Hochgebirge ist der Wind in den kastanienwaldbedeckten Hügeln im Hinterland der Ostküste zwischen Fium’Alto im Norden und der Mündung des Alesani im Süden nie schneidend. Einst hatte die Castaniccia die höchste Bevölkerungsdichte Korsikas, seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wandern die Menschen in die großen Städte und auf das Französische Festland ab, so dass die kleinen Dörfer ein bisschen wie im Dornröschenschlaf wirken und die großen Kastanienwälder einen verwilderten Touch haben.
Die höchste Erhebung der Castaniccia ist der Monte San Petrone (1767 m), der aber seiner Höhe wegen eher im Sommer besucht wird. Diese Wanderung auf guten Wegen ist tatsächlich auch für heiße Hochsommertage geeignet, da sie größtenteils durch schattige Wälder verläuft. Der 360°-Panorama-Rundblick von oben ist einzigartig. Kastanien sind anders als zu erwarten nicht ursprünglich heimisch auf Korsika, erst die Genueser brachten den Nutzbaum im 15. Jahrhundert auf die Insel. Tatsächlich galten Kastanien bis weit in das 19. Jahrhundert als das Mehl der armen Leute. Heute dagegen sind Edelkastanien eine teuer zu bezahlende Delikatesse... Eine Übersicht mit Wandermöglichkeiten und Unterkünften in der in der Castaniccia finden Sie hier.
Der korsische Name "Alta Rocca" für das von Bavella-Massiv im Norden und von der Punta di u Diamante im Süden umschlossene Gebiet bedeutet äußerst treffend "Hoher Stein". Nur nach Südwesten hin öffnet sich die Hochebene Richtung Meer. Der Col de Bavella ist der südlichste der vier Passstraßen über den Hauptgebirgskamm Korsikas; hier trifft auch der GR 20 auf die von Solenzara in aufregenden Haarnadelkurven sich heraufwindende Autostraße. Das Wetter ist hier berüchtigt! Auch wenn es an der Küste sonnig und angenehm warm ist, kann es am Pass neblig sein, häufig ziehen bereits vormittags Quellwolken auf. Die Bergspitzen - Aiguilles - des Bavellamassivs sind eindrucksvoll schroff, spitz und bizarr - ein Dorado für Kletterer, wobei die Routen eher in den höheren Schwierigkeitsgraden liegen. Ein Ziel für trittsichere "Normalbergsteiger" ist dagegen der Tour III der Aiguilles (auch Punta di Vacca gennant, 1611 m), der auf der Wegführung entlang der Alpinvariante des GR 20 vom Col de Bavella aus bestiegen wird. Für Familien geeignet sind die Wanderungen auf die Punta di u Diamante (1227 m) und vor allem zur bronzezeitlichen Festung Cucuruzzu nahe dem kleinen Bergdorf Levie, zu der ein Wanderweg durch dichte immergrüne Steineichenwälder führt.
Korsikas Süden, das Sartenais, ist eine karge Landschaft; die zahlreichen flachen Hügel sind dicht von kratzigster Macchia bewachsen. Doch nirgendwo auf Korsika ist die Dichte an prähistorischen Fundstätten derart hoch wie hier. Wanderungen im Sartenais haben keinen anspruchsvollen Alpin-Charakter, sondern eher einen kulturellen Touch, was ihnen aber keinerlei Abbruch tut. Im Gegenteil, besonders für Familien sind die kurzweiligen, halbtägigen Touren zur Anhöhe des Casteddu d'Araghju und zu den Megalithenanlagen Alignement di Pagliaghju oder Dolmen de Fontanaccia sehr zu empfehlen.
Mein persönlicher Wanderfavorit im Sartenais ist jedoch die kurzweilige Tour zum Turm von Campomoro. Er liegt hoch über der Westküste am Golf di Valinco und ist zum Beispiel ein romantischer Abendausklang nach einem ausgiebigen Badetag an einem der langen, weißen Sandstrände. Stirnlampe für den Rückweg nicht vergessen!
Zwischen Popriano im Süden und Porto im Norden befindet sich der wildeste und schönste Küstenabschnitt Korsikas, auch hier zeugen noch viele prähistorische Menhire und Überreste der alten Megalithkultur von der langen Siedlungsgeschichte. Ein Besuch der Ausgrabung von Filitosa ist in diesem Zusammenhang unbedingt zu empfehlen. An zahlreichen Sandbuchten reiht sich Campingplatz an Campingplatz.
Aber mögen die Korsischen Strände auch gut gefüllt sein, die Wandertouren sind nie überlaufen. Zu den schönsten korsischen Wandererlebnissen gehört der Besuch auf dem Capu Rossu bei Porto - hin und zurück ein knapp 3-stündiger Weg, der unbedingt in den frühen Morgen- oder in den späten Abendstunden begangen werden sollte.
Haute Asco und die Region Niolu sind nicht nur das Herz der Insel, sie lassen auch jedes Bergsteigerherz höher schlagen. Die am Talschluss des Asco-Tals gelegene ehemalige Skistation Haute Asco ist ein quirliger Treffpunkt von GR 20-Wanderern, Monte-Cinto-Aspiranten und Crocs-Touristen. Man muss aber nicht unbedingt ganz große Ziele haben, um rund um Haute Asco wandertechnisch auf seine Kosten zu kommen. Unzählige Gumpen laden zum Baden ein, ein gutes Netz markierter Wanderwege führt auf die Fährte der seltenen Mufflons, die sich dann aber doch in die oberen Feldregionen des Monte Cinto zurückgezogen haben. Und wer sich für die Korsische Bergflora interessiert, der hat ohnehin den ganzen Tag zu tun. Auch im Rahmen eines Familienurlaubs ist eine Besteigung des Monte Cinto durchaus möglich, wenn erfahrene Bergsteiger daraus ein Solo machen und der andere Elternteil den Tag mit den Kindern auf dem gemütlichen Campingplatz Monte Cintu direkt am Ausgangspunkt der Wanderung mit seinen vielen Gumpen-Bademöglichkeiten verbringt. Der Monte Cinto (2706 m) ist unbestreitbar der Höhepunkt jedes korsischen Wanderurlaubs. Für die knapp 1500 Höhenmeter (incl. Gegenanstiege) von Haute Asco zum höchsten aller Korsen sind etwa 5 Stunden Aufstiegszeit zu veranschlagen. Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und das sichere Beherrschen von ausgesetzten Passagen im I. bis II. Schwierigkeitsgrad sind Voraussetzung für diese Tour. Das Gipfelpanorama mit Tiefblicken zu beiden Küstenlinien entschädigt aber für alle schweißtreibenden Mühen - vorausgesetzt man ist vor 11 Uhr vormittags am Gipfel. Dann nämlich ziehen fast vorhersagbar Quellwolken auf, die den Gipfel vollständig einhüllen. Tipp: Im Ort Asco wird Honig aus den umliegenden Bergregionen angeboten - unbedingt probieren, ein echter Genuss!
Der rund 170 Kilometer lange Fernwanderweg GR 20 (Sentier de Grande randonée de la Corse) von Calvi im Norden bis Conca im Süden ist Kult. Nicht zu Unrecht, denn auf keine andere Art kann man die grandiose Bergwelt Korsikas so hautnah erfahren als zu Fuß. Unrecht haben allerdings diejenigen, die sich vom Kultstatus blenden lassen und den Wanderweg auf die leichte Schulter nehmen. Die gut zweiwöchige Begehung des GR 20 erfordert gute Kondition, absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Bergerfahrung ist bei dieser Unternehmung in alpiner Umgebung zwischen 900 und 2400 Metern Höhe unerlässlich. Die günstigste Zeit für die Begehung des GR 20 liegt zwischen Ende Juni und Mitte September. Alternativen zum Großunternehmen GR 20 sind die wesentlich leichteren Wanderwege Mare e Monti, der in 10 Tagen von Calenzana nach Cargèse führt, oder die Route Mare a Mare, die in 12 Tagen die Insel von Moriani im Osten nach Cargèse im Westen durchquert.
Entlang der Weitwanderwege gibt es im Sommer Übernachtungsmöglichkeiten in sehr einfachen Hütten. Es hat sich unbedingt bewährt autark mit Zelt, Schlafsack und Isomatte unterwegs zu sein. Die meisten dieser Hütten sind Selbstversorgerunterkünfte, entlang des GR 20 gibt es noch einige Gîte d'etapes, die als schlichte Unterkunftshäuser auch Halbpension anbieten.
Astrid Süßmuth hat nicht nur diesen Reisebericht zusammengestellt, sondern auch einen ausführlichen Infoteil mit vielen nützlichen Tipps für uns geschrieben.
Hier finden Sie allgemeine Gebietsinfos zu Korsika.
Autorin: Astrid Süßmuth