Spektakuläre Wasserfälle, malerische Bergseen, gewaltige Gletscher und ein grandioses Panorama aus dem höchsten Stockwerk der Stubaier Alpen – die relativ einfache Hochtour auf den Wilden Freiger über die Sulzenauhütte sucht ihresgleichen in den Ostalpen! Bis vor wenigen Jahren war dieses Vergnügen nur Hochalpinisten mit entsprechender Ausrüstung vorbehalten, doch aufgrund des Gletscherrückgangs und dank neuer Versicherungen am Grat kann nun auch der erfahrene, konditionsstarke Wanderer bei günstigen Bedingungen diese Bergtour wagen. Als besonderes Schmanckerl lockt zudem der Übergang zum Becher – vielleicht gar mit Übernachtung auf der höchstgelegenen Schutzhütte Südtirols, dem Becherhaus?
A13 Brennerautobahn bis Ausfahrt Schönberg/Stubaital. Dann auf der Stubaitalstraße (B183) bis Neustift und weiter Richtung Stubaier Gletscher bis zum gebührenfreien Parkplatz beim Grawa-Wasserfall. Alternativ kann man ein paar hundert Meter weiter am Hüttenparkplatz Sulzenhauhütte sein Auto abstellen.
Navi-Adresse: A-6167 Neustift im Stubaital, Grawa 2380/3
Stubaital, Parkplatz Grawa-Wasserfall (1534 m) - alternativ ein paar hundert Meter weiter Hüttenparkplatz Sulzenhauhütte (1590 m)
Route:Hüttenanstieg: Die Tour beginnt gleich mit einem Paukenschlag im wörtlichen Sinne, denn der beeindruckende Grawa-Wasserfall betäubt die Ohren nachhaltig. Zu seinen Füßen befindet sich übrigens eine schöne Aussichtsplattform mit hölzernen Liegebänken. Der perfekt angelegte, aber meist ziemlich rutschige Wasserfall-Steig leitet einen schnell höher, bis man oberhalb des Wasserfalls auf den „klassischen“ Hüttenweg der Sulzenau-Hütte (guter Steig, aber ohne Sicht auf den Wasserfall) gelangt. Hier folgt man der Beschilderung nach links. In mäßiger Steigung geht es nun eine Zeit lang dahin, bis man um ein Felseneck biegt und unvermittelt in einem fantastischen Amphitheater steht: Über der flachen Talsohle baut sich ein 300 Meter hoher halbrunder Kessel mit mehreren großen Wasserfällen auf. Weiter schlendert man an der mit kunstvollen Schnitzarbeiten verzierten, bewirtschafteten Sulzenau-Alm (1874 m) vorbei in den Talschluss, wo sich der Weg gabelt. Beide Wege führen zur Sulzenau-Hütte, wobei für den linken, der direkt an den Fuß des großen Wasserfalls führt, 15 Minuten mehr Gehzeit angegeben sind, was aber nur daran liegen kann, dass man hier wohl einige Zeit zum Fotografieren verwenden wird. Bei Sonneneinstrahlung bildet der Wasserfall nämlich seinen eigenen „Regenbogen“. In angenehmen Serpentinen wird sodann die Sulzenauhütte (2191 m) erreicht, wo sich ein herrlicher Blick in das langgezogene Tal der Sulze mit dem darüber herabstürzenden Sulzenauferner bietet.
Gipfelanstieg: Nach links, der Beschilderung zum Freiger folgend, über eine Brücke auf die andere Seite des Gletscherbachs. Nach einem kurzen Abstieg passiert man die Abzweigung zur Leo-Schöpf-Route (anspruchsvolle Gletschertour) und erreicht über einige Holzbrücken die Moräne des früheren Gletschers. Über diese gelangt man zum nächsten Glanzlicht der Tour, dem Grünausee (2328 m). An ihm links vorbei zur Seescharte (2762 m), wobei bis in den September hinein oft unschwierige Schneefelder zu queren sind. Hier vereinigt sich der Steig zum Wilden Freiger mit dem von der Nürnberger Hütte. Der Weiterweg führt über teils mit Stufen ausgelegtes Blockgelände ohne größere Schwierigkeiten nach oben, bis rechts der Weg zum Gamsspitzl (3050 Meter, Ausweichziel bei unsicherem Wetter, toller Blick zum Freiger) abzweigt. Hier steigt man ein paar Meter ab auf ein ganzjähriges Schneefeld und achten dabei darauf, wo auf der anderen Seite die (sehr deutlichen) Markierungen sind. Immer durch Blockgelände geht es bis zu einer Art Schulter. Nach ein paar Metern am Kamm verzweigen sich die Trittspuren: links geht es auf den Grüblferner (früher übliche Route) und geradeaus, am Kamm bleibend, auf den neu angelegten Steig, wo einige kürzere Versicherungen über leicht ausgesetzte Passagen hinweghelfen, bis ein etwas steilerer Aufschwung erreicht wird. Die meiste Zeit des Jahres befindet sich hier ein Firnfeld, das bei guten Bedingungen problemlos zu bewältigen ist (evtl. Grödeln hilfreich). Ist der Firn im September abgeschmolzen, so hilft ein Kletterseil über eine glatte Platte hinweg. Danach legt sich das Gelände deutlich zurück und man steigt an der verfallenen Grenzhütte vorbei hinauf zum Gipfelgrat mit Markierungsstange. Die letzten Meter geht es meist über Firn mit einigen kleineren Kletterstellen zum nicht sehr geräumigen und für eine längere Rast eher ungemütlichen Gipfel. Tipp: Brotzeit am Freiger-Signalgipfel (Wetterstation) machen.
Ergänzung: Wer nun noch ein paar Körner für etwa 200 Höhenmeter Ab- und Wiederaufstieg übrighat, kann über einen teils versicherten Steig zum gewaltig gelegenen Becherhaus (3195 m) auf einen Cappuccino hinüber.
1. Auf dem Anstiegsweg, mit der Möglichkeit, die Route unterhalb der Sulzenau-Hütte zu variieren: Wieder direkt am Wasserfall vorbei oder auf dem anderen Weg. Wenn man beim Hüttenparkplatz der Sulzenau-Hütte geparkt hat, kann man den Grawa-Wasserfall-Steig im Abstieg rechts liegen lassen und direkt zum PP absteigen und spart sich am Ende ein paar Höhenmeter Gegenanstieg.
2. Ist man auf dem Stubaier Höhenweg unterwegs und möchte zur Nürnberger Hütte, so steigt man bis zur Seescharte auf dem Anstiegsweg ab und hält sich hier rechts; über recht steiles Gelände gelangt man so in etwa 45 Minuten zur Hütte.
Weitere Anstiegswege führen...
1.) über die Nürnberger Hütte. (a) Der Normalweg über die Nürnberger Hütte ist ebenfalls schön; zwar landschaftlich nicht ganz so überwältigend, wie der oben beschriebene, dafür aber insgesamt steiler und direkter. An der Seescharte (2762 m) vereinigen sich die beiden Steige. (b) Von der Nürnberger Hütte gibt es auch die Möglichkeit einer Rundtour: Aufstieg zur Rotgratspitze (3096 m) und dann über den hier ansetzenden Grat zum Wilden Freiger. Der Weg ist mittlerweile ebenfalls markiert und einfacher als er zunächst aussieht (nur leichte Kletterstellen, I). Bis in den September hinein ist aber vor der Rotgratscharte (früher war da ein Gletscher) ein steiles Altschneefeld zu überwinden – meist Grödeln oder sogar Steigeisen notwendig.
2.) von der Sulzenauhütte führen zwei anspruchsvolle Hochtouren zum Gipfel: Der Lübecker Weg über den Fernerstuben-Gletscher und die Leo-Schöpf-Route über den Freiger-Ferner.
3.) aus den Ridnauntal (Südtirol) gelangt man ebenfalls auf langem und anspruchsvollem, aber gletscherfreiem Weg von Maiern über Teplitzer Hütte und Becherhaus zum Gipfel.
Leichte bis höchstens mittelschwere Hochtour (S2 bis 3) - bei guten Verhältnissen auch für erfahrene Bergwanderer nicht zu schwierig. Da hier keine spaltigen Gletscher zu begehen sind, ähnelt die Route mehr einer alpinen Bergtour (entspricht der Bewertung S4) mit einigen Schnee- bzw. Firnfeldern sowie einigen versicherten Passagen im Fels. Wenn allerdings der neuerdings versicherte Grat früh im Jahr noch nicht schneefrei ist oder nach einem Kälteeinbruch, dann können sich die Anforderungen deutlich erhöhen und entsprechende Ausrüstung erfordern (Pickel und Steigeisen). Die Route wird in der Regel als Zweitagestour mit Hüttenübernachtung unternommen, da die konditionellen Anforderungen als Tagestour enorm sind. Was die Landschaft angeht, kommt man bei dieser Tour aus dem Staunen nicht mehr raus: Erst das Amphitheater mit den Wasserfällen, dann macht der Grünausee mit seinem türkisfarbenen klaren Wasser seinem Namen alle Ehre und am Ende bietet sich ein überwältigender Nahblick auf den Übeltalferner, den größten Gletscher Südtirols und die ihn umrahmenden Bergriesen (Zuckerhütl, Wilder Pfaff, Sonnklarspitze, Botzer). Und in der Ferne locken die Felszinnen der Dolomiten.
Gehezeit:Hüttenanstieg: 2 Stunden, Gipfelanstieg 4:30 Stunden; insgesamt 5 bis 7 Stunden. Abstieg 4 bis 5 Stunden. (Angaben ohne Abstecher zum Becherhaus, da muss man mit Einkehr noch mal 2 Stunden mehr einplanen.)
Tourdaten:Höhendifferenz: insgesamt 1900 Höhenmeter; ca. 650 Hm bis zur Hütten und weitere 1250 Hm bis zum Gipfel. Distanz: ca. 12 km (einfach), davon ca. 5,5 km Hüttenanstieg
Beste Jahreszeit:Juli bis September, bzw. bis zum ersten größeren Schneefall
Stützpunkt:1. Sulzenauhütte (2191m) des DAV, bewirtschaftet von Mitte Juni bis Ende September. Telefon: +43522624320140 Schlafplätze, Internet: sulzenauhuette.at
2. Gasthof Grawa Alm am Ausgangspunkt. Infos hier.
3. Sulzenau Alm (1874 m). Almgasthof mit ungeheuer einfallsreichen und kunstvollen Schnitzereien. Geöffnet von Juli bis Mitte September 2021 von Mittwoch bis Sonntag. Montag und Dienstag Ruhetag. Telefon Alm: +436765603090.
Die folgenden Hütten liegen nicht direkt am Weg, aber in der Nähe:
4. Nürnberger Hütte: DAV, 143 Schlafplätze
5. Becherhaus (3195m): AVS, 105 Schlafplätze
6. Müllerhütte (3145m, nur über Gletscher zu erreichen): AVS, 88 Schlafplätze
Hochtourenbekleidung, Grödeln. Steigeisen und Pickel nur früh in der Saison oder bei kalter Witterung nötig.
Wissenswertes:Die Grenze zwischen Österreich und Italien verläuft seit der Niederlage der k.u.k-Monarchie im 1. Weltkrieg genau auf dem Gipfelgrat des Wilden Freigers, was zu einigen unrühmlichen Kapiteln in seiner Geschichte geführt hat: Davon zeugt eine verfallene Hütte kurz vor dem Gipfel, in der früher Grenzkontrolleure (!) stationiert waren. Auch das Becherhaus (eigentlich Sektion Hannover des DAV, 1922 aber vom italienischen Staat enteignet) war bis 1979 vom italienischen Militär besetzt. Die Kapelle „Maria im Schnee“ auf dem Becherhaus, das früher übrigens „Kaiserin-Elisabeth-Schutzhaus“ hieß und am Geburtstag des Kaisers Franz Joseph am 18. August 1894 eingeweiht wurde, gehört zu den höchstgelegenen ihrer Art in den Alpen.
Karte:Kompass Blatt 83, Stubaier Alpen, 1:50.000. Oder DAV-Karte Nr. 31/1 (Stubaier Alpen/Hochstubai); 1:25.000. Beide erhältlich in unserem Karten-Shop.
Autor:Andreas Pagel
Auf dem Kartenausschnitt können Sie die Lage der Tour und die Anfahrt nachvollziehen. Soweit ein GPS-Track hinterlegt ist, dient die Karte auch als Routenskizze.
Hier finden Sie die schönsten Touren aus dieser Gegend. Die Region Stubaier Alpen ist bekannt für ihre Vielfalt, für ihren landschaftlichen Reiz und hohen Erholungswert. In unserem Tourenarchiv finden Sie dazu Gebietsinformationen und weitere lohende Routenvorschläge mit Bildern und GPS-Daten.