Anfahrt: Auf der B108 Felbertauernstraße (10 Euro Maut - Stand 2021) bis Huben. Dort rechts abbiegen auf die Defereggental-Landesstraße und immer der Beschilderung Richtung Staller Sattel folgen. 400 Meter nach dem kleine Ort Erlsbach rechts abbiegen zur Mautstraße (8 Euro - Stand 2021) ins Patscher Tal und noch etwa 4 km bis zum Alpengasthof Patsch. Hier findet man einen großen Wanderparkplatz.
Navi-Adresse: A-9963 St.Jakob/Defereggental, Oberrotte 56
Anfahrt planen mit Google-Maps Ausgangspunkt: Alpengasthof Patsch (1685 m) im Patscher Tal, einem Seitental des Defereggentals
Route: Vom Parkplatz geht es zunächst über eine Brücke zum Gasthof und dann der Beschilderung zur Barmer Hütte folgend auf einem Fahrweg über etwa 300 Höhenmeter durch schönen Wald recht steil hinauf. Dann legt sich das Gelände zurück und man erreicht das traumhaft schöne, vom rauschenden Gebirgsbach und uralten Lärchenbeständen geprägte Patscher Tal, das vom mächtigen Hochgall dominiert wird. Bis zur Materialseilbahn der Barmer Hütte geht es gemütlich auf der Forststraße dahin. Nun mündet die Straße in einen schönen Steig, der mehrere kleine Bächlein querend zunächst weiterhin recht flach in den hinteren Talkessel führt, von wo wir auch weit oben die sich gut ins Landschaftsbild einfügende und daher leicht zu übersehende Barmer Hütte erspähen. Ab einer Höhe von etwa 2200 m steilt der Pfad immer mehr auf und wird mitunter zu einem Treppensteig (perfekt angelegt) bis die Ruine der alten Barmer Hütte (wurde von einer Lawine zerstört) auf 2512 m erreicht ist. Wenn unser Tagesziel der Lenkstein ist, wird die jetzige Hütte (sie steht etwa 100 Höhenmeter über der alten) links liegen gelassen und man folgt dem Wegweiser Richtung Lenkstein/Hochgall-Hütte nach rechts. Es geht teils über Blockgelände, teils über einen Steig, immer perfekt markiert, zunächst noch gemütlich, bald aber steiler Richtung Roßhorn-Scharte bis sich die Schlüsselstelle der gesamten Tour vor uns aufbaut: Ein sehr steiler Felsaufschwung sowie eine kurze ausgesetzte Querung werden mithilfe von durchlaufenden Stahlseil-Sicherungen überwunden. Dann steht man auch schon in der Scharte (2916 m), von wo ein angenehmer aus Felsplatten geschichteter Treppensteig bis kurz unter das Fenner-Eck (3123 m - mit 5 Minuten Mehraufwand zu erreichen) leitet. Hier muss mal zuerst einmal das grandiose Panorama mit dem Nahblick auf den Hochgall und den Rieserferner-Gletscher bewundern, bevor man sich nach dem Weiterweg umschaut und dabei vielleicht ein bisschen erschrickt: Wild schaut´s aus, brüchig schaut´s aus, steil schaut´s aus und schwarz ist der Fels! Aber: Der Steig, der schon seit 1910 hier durchleitet, ist wirklich hervorragend und lotst den Wanderer unschwierig durch alle zuvor befürchteten Hindernisse bis zum Punkt 3171 m. Dieser markiert den Übergang von der Barmer- zur Hochgall/Kasserler-Hütte. Von hier gilt es, ein Schneefeld, zunächst eben, später ansteigend (siehe Tourenbild) zu queren, und möglichst am höchsten Punkt des Schneefelds den Grat zum Lenkstein zu erreichen. Diese Passage ist natürlich sehr von den jeweiligen Schneeverhältnissen abhängig – bitte hier nicht blind nach den GPS-Track gehen! Der kurze Grat bis zum Gipfel bietet schöne Kletterei im festen Gestein (UIAA I), ohne dabei ausgesetzt zu sein. Ein Hochgenuss – ebenso das Gipfel-Panorama!
Abstieg: 1. Wie Anstieg.
2. Zur Barmer Hütte: Am Anstiegsweg zurück bis zu den Ruinen der alten Hütte und dann durch Blockfelder (auf Markierungen achten, viele Wanderer gehen hier falsch!) 100 Höhenmeter hoch.
3. Lohnende Varianten: Von der Roßhorn-Scharte (2916 m, also oberhalb der „Schlüsselstelle“) kann das Roßhorn (3068 m) unschwierig auf markiertem Steig mitgenommen werden (S3). Auch kann man von der Scharte etwa 100 Höhenmetern zum recht neuen Gletschersee, der sich durch das Abschmelzen des Südlichen Fleischmann-Kees gebildet hat, absteigen. Grödeln sind hier von Vorteil, wenn man nicht über die Geröllhalden rumpeln will, sondern den Restgletscher begeht, der aber keinerlei Spaltengefahr aufweist. Bloß in den Gletscherbach sollte man nicht einbrechen.
Charakter/Schwierigkeit: Insgesamt mäßig schwierige alpine Bergtour (S4) mit nur teilweise versicherten sehr leichten Kletterstellen (UIAA I), teilweise im ausgesetzten Gelände. Als Tagestour konditionell anspruchsvoll, daher besser mit Hüttenübernachtung. Im Detail: Bis zum versicherten Steilaufschwung zur Rosshorn-Scharte handelt es sich um eine mittelschwere bis anspruchsvolle Bergwanderung (S2/3), danach aber um eine alpine Bergtour mäßiger Schwierigkeit (S4). Wer die versicherte Passage nicht ohne Klettersteig-Set bewältigen kann, sollte gleich umkehren, da es oberhalb des Fenner-Ecks ausgesetzt wird, es aber dort aber keine Sicherungen mehr gibt. Grundsätzlich gilt auf dieser Route jedoch: Die ausgesetzten Passagen sind technisch unschwierig (Wanderweg in steiler Flanke) und die anspruchsvollen Stellen kurz vor dem Gipfel sind nicht ausgesetzt! Der Rundblick vom Gipfel sucht seinesgleichen: Ganz nah Rieserferner-Gruppe und der Zillertaler Hauptkamm; die Hohen Tauern (Venediger und Glockner) auch nicht weit, die Schober-Gruppe, die Dolomiten von Sexten bis zur Marmolada, und so weiter und so fort...
Gehezeit: Insgesamt 9 Stunden. Aufstieg: 5 Stunden (Hüttenanstieg: 2:30 Std. und Gipfelanstieg: 2 bis 2:30 Std.); Abstieg: insgesamt bis in Tal: 4 Stunden; Abstieg bis Barmer Hütte: 2 Stunden
Tourdaten: Höhendifferenz: insgesamt ca. 1600 Höhenmeter (beim Direktanstieg) + 100 Hm für den optionalen Anstieg zur Barmer Hütte. Der Hüttenanstieg ab Tal ist mit 925 Hm zu veranschlagen; Gipfelanstieg ab Hütte: ca. 700 Hm. Distanz: 10 km (einfach), davon 6,5 km Hüttenanstieg.
Beste Jahreszeit: Juli bis September, bzw. bis zum ersten größeren Schneefall
Stützpunkt: Barmer Hütte (2610 m) der DAV Sektion Barmen, geöffnet von Anfang Juni bis Ende September. 43 Übernachtungsplätze. Reservieren kann man nur telefonisch. Telefon Hütte: +436649489413 und Telefon Tal: +393469868673. Winterraum vorhanden. Internet: barmerhuette.at
Anmerkung des Autors: Natürlich kann man die Tour auf den Lenkstein bei entsprechender Kondition (2000 Höhenmeter inklusive Gegenanstiege) auch ohne Hüttenübernachtung machen, aber da würde einem schon etwas entgehen! Die Barmer Hütte ist im besten Sinne urig: Eine schöne, kleine Stubn mit Kachelofen und gemütliche Betten laden zum Verweilen ein. Die Atmosphäre, die Wirtin Monika Schatzer und ihre Helfer verbreiten, ist sehr familiär und herzlich: Das fängt bei interessanten Gesprächen und Hilfen bei der Tourenplanung an und endet auch nicht bei der Verkostung selbst gemachter Marmeladen- und Schnaps-Spezialitäten (Zirbe, Heu, Fichte).
Hinweis: Die Barmer Hütte kann auch im Zuge der Rieserferner-Runde besucht werden: Diese beginnt im Antholzer Tal, geht auf die Rieserferner-Hütte, dann über Magerstein und/oder Schneebigen Nock zur Hochgall/Kasseler Hütte, über den Lenkstein zur Barmer Hütte und von dort zurück nach Antholz. Einheimische Experten machen daraus auch gerne eine zünftige Tagestour!
Ausrüstung: Normale Wanderbekleidung, evtl. Grödeln bei kaltem Wetter.
Tipp: Von der Barmer Hütte können folgenden Gipfel angegangen werden:
- Almerhorn (2986 m): einfacher und markierter Wanderweg (S3)
- Große Ohrenspitze (3101 m): Sehr anspruchsvolle, individualistische Tour; bis zur Remscheidscharte Route auch teilweise schwer zu finden, ab der Scharte markiert aber sehr steil (mit Ketten gesicherter Steilaufschwung, der frei mit IV zu bewerten wäre), Infos am besten bei der Hüttenwirtin einholen, S6-
- Hochgall (3436 m) / Barmer Spitze (3200 m): extrem von den Verhältnissen abhängig, oft im Sommer wegen Steinschlaggefahr nicht sinnvoll.
- Der Hochgall soll übrigens laut Hüttenwirtin Monika Schatzer bei perfekten Frühjahrsbedingungen eine geniale Skitour sein!
Wissenswertes: Der Übergang von der Barmer zur Kasseler Hütte ist Teil des historischen Arthur-Hartdegen-Wegs von 1910 und es ist immer wieder interessant, dass manch alte Weganlage die Jahrzehnte überdauert, während die eine oder andere von modernen „Profis“ gebaute gleich beim nächsten mittelschweren Regen wieder davonschwimmt.
Karte: Kompass Karte Blatt 45, Defereggental, 1:50.000. Erhältlich in unserem Kompass-Wanderkarten-Shop.
Autor: Andreas Pagel